25. Febr. 2021

NATURBEOBACHTER AUS DER REGION


Schimmelpilze machen Käse und mehr

 Joachim Schmitz

Viele Leute ekeln sich vor Schimmelpilzen, egal ob sie jetzt auf vergammelten Lebensmitteln erscheinen oder sich hartnäckig auf Tapeten und Wänden in feuchten Räumen halten. Dabei ist es so wie bei den Höheren Pilzen: Es gibt wenige gefährliche oder zumindest unangenehme Arten, die meisten sind harmlos und manche sogar ausgesprochen nützlich.

Zur letzteren Gruppe gehören die Pinselschimmel der Gattung Penicillium. Der Name bezieht sich auf die ungeschlechtlichen Vermehrungsorgane (Konidien), die Sporen erzeugen und mit ein Bisschen Fantasie wie ein Pinsel aussehen. Der bekannteste Pinselschimmel ist Penicillium chrysogenum (früher: P. notatum), bei dem das Antibiotikum Penicillin entdeckt wurde.

Pinselschimmel spielen auch eine große Rolle bei der Käseherstellung. Die weiße Kruste von Camembert und Brie wird durch Penicillium camemberti verursacht. Der Pilz verstoffwechselt den Käsebruch zu Weichkäse mit der typischen weißen Kruste, die ausschließlich aus diesem Pilz besteht. Wenn der Pilz nicht durch Pasteurisieren o.a. Konservierungsmethoden abgetötet wurde, wächst er auch noch weiter. Bildet sich also an der Schnittfläche eines Camemberts nach ein paar Tagen wieder eine weiße Kruste, ist das ein Zeichen, dass der Pilz noch lebt. Der Käse ist nicht schlecht geworden, im Gegenteil: das ist ein Qualitätsmerkmal!

Blauschimmelkäse wird durch Penicillium roqueforti erzeugt. Wie der Name nahelegt, bezieht sich der Name auf den legendären französischen Schafskäse aus Roquefort. Heute gibt es zahlreiche Käsesorten auf Blauschimmelbasis aus verschiedenen Milchsorten, aber immer ist P. roqueforti beteiligt.

Der Ursprung aller dieser Lebensmittelzubereitungen liegt in dem Bestreben, Lebensmittel haltbar zu machen, als es noch keine Kühlschränke gab. Meist wurden dazu Gärungen unter Luftabschluss benutzt wie bei der Herstellung von Sauerkraut aus Weißkohl, Wein aus Traubensaft oder Joghurt aus Milch. Dabei entstehen immer Stoffe wie Säuren oder Alkohol, die konservierend wirken.

Anders ist es bei den Pinselschimmeln. Sie gären nicht sondern atmen. Sie brauchen also Sauerstoff, um ihre Nahrung zu zerlegen und nutzen zu können. Dass sie konservierend wirken, hat zwei andere Gründe. Erstens erzeugen sie selbst Antibiotika, also gegen Bakterien wirksame Stoffe. Das ist bei P. chrysogenum entdeckt worden, was letztlich zur Entwicklung von Penicillin geführt hat; andere Penicillium-Arten können das aber auch.

Der zweite Grund ist ein Konkurrenzeffekt. Die Käse machenden Pinselschimmel streiten sich mit wilden Schimmelarten um die gleiche Nahrung, und wer zuerst da ist, hat einfach die besseren Karten. Wenn der Mensch also den Käsebruch mit den „guten“ Arten impft, sorgt er dafür, dass sich keine weiteren Schimmelarten ansiedeln können. In der Ökologie nennt man das das Konkurrenzausschluss-Prinzip. Arten mit den selben ökologischen Ansprüchen können nicht am gleichen Ort zusammenleben, und wo schon ein Schimmelpilz sitzt, kann so schnell kein zweiter dazukommen.

Die Gegenprobe liefern Hartkäse. Sie entstehen durch bakterielle und/oder Hefegärung. Da gibt es keine Konkurrenz zu wilden Schimmeln und so verschimmeln Hartkäse viel leichter.

Darüber hinaus werden Penicillium-Arten auch bei anderen Lebensmitteln eingesetzt. Z.B. wird P. chrysogenum (der Penicillin-Pilz!) für Salami benutzt. In der Zutatenliste wird das dann oft unter „Starterkultur“ versteckt. Eine ausführliche Auflistung von in der Lebensmittelindustrie benutzten Pilzen gibt es bei Wikipedia unter https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_von_Pilzen_in_der_Lebensmittelherstellung.

 

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zuletzt bearbeitet am 9.III.2021