22. Okt. 2020

NATURBEOBACHTER AUS DER REGION


Goldener Oktober: Bereitmachen für den Winter

 Karl Josef Strank

In diesen herbstlichen Zeiten haben wir mit Glück noch ein paar schöne Sonnentage. Und wenn man erlebt, wie der morgendliche Nebel durch die Sonne aufgelöst wird, ist das ein erhebendes Gefühl. Die heißen Tage des Sommers sind endgültig vorbei und die Nächte sind erholsam kühl. Der Herbst bietet meist das ideale Wetter zum Wandern. Die Verfärbung des Laubs mit warmen Farbtönen von gelb über orange und rot bis rotbraun erzeugt noch einmal ein behagliches Gefühl, vor allem, wenn die Sonne diese Szenerie vergoldet.

Die Germanen bezeichneten den Monat Oktober als „Gilbhart“. Der Name ist zusammengesetzt aus Gilb und Hart. Letzteres kennen wir aus dem alten Namen Hartung für Januar. Das ist die Zeit des Eises und des hartgefrorenen Schnees, will heißen, dass jetzt die kalte Jahreszeit mit Frost und Schnee anbricht. Gilb steht für die Blattwelke und das Vergilben. Von Gelb ist es nicht weit zu Gold, Glanz, Glitzern und Glimmern – Wörtern, die für den lichten, wohligen und warmen Teil des Jahres stehen. Oktober ist der Monat des Übergangs. Dieser Übergang ist überall in der Natur, bei Pflanzen und Tieren zu beobachten.

Die Kräuter streuen ihre Samen aus, werden dürr und vergehen zur Gänze. Im nächsten Jahr keimen sie und erobern die Welt von Neuem. Die Stauden ziehen sich in die Erde zurück und bilden die Winterknospen, mit denen sie im nächsten Frühjahr an selber Stelle wieder austreiben und ihren Platz behaupten. Igel suchen sich jetzt einen sicheren Unterschlupf, polstern ihn mit Blättern aus und begeben sich in die Winterruhe. Siebenschläfer haben sich schon längst in behagliche Höhlen zurückgezogen und verschlafen den Winter bis weit ins Frühjahr. Viele Insekten und Kleinlebewesen ziehen sich in Ritzen und Spalten zurück und überwintern als adulte Tiere oder als Larven. Damit sie nicht erfrieren, haben sie Glykol als Frostschutzmittel in ihren Körpern angereichert.

Bei Solitärbienen, Wespen und Hummeln ist die Natur unerbittlicher, hier überleben nur die Garanten für neues Leben im nächsten Jahr, die Königinnen. Deshalb sieht man jetzt häufig tote Wespen, Hummeln und auch Hornissen. Wenn sie nicht mehr genug Treibstoff in Form von Zucker finden, um ihren Stoffwechsel aufrechtzuerhalten, sterben sie. Bei den Honigbienen ist das nicht ganz so drastisch, aber das Volk schrumpft von fast 50.000 in der Haupttrachtzeit auf wenige Tausend Winterbienen zusammen, die, genügend Honigvorrat vorausgesetzt, die Königin in einer dichten Traube umgeben und mit ihrer Körperwärme schützen und durch den Winter bringen. Würmer im Boden und in der Laubstreu bleiben aktiv, solange die Temperaturen erträglich bleiben. Ihre Überwinterungstaktik ist einfach, aber effektiv. Friert der Oberboden, ziehen sie sich einfach in tiefere, frostfreie Erdschichten zurück.

Viele Vögel haben unsere Gefilde schon längst verlassen oder sind dabei, das zu tun. Sie weichen der Kälte aus und ziehen in wärmere Weltgegenden bis sie im Frühjahr wieder zurückkehren. Wegen des Klimawandels und weil die Winter bei uns immer milder und erträglicher werden, ziehen aber nicht mehr alle, die früher den weiten, beschwerlichen und gefährlichen Zug unternommen haben, gen Süden, sondern bleiben auch im Winter bei uns.

Oktober ist der Monat der Ernte. Traditionell werden am ersten Sonntag Dankfeste, die auch im religiösen Jahreskalender verankert sind, gefeiert. Weil die Weinlese im Oktober fast beendet ist und der neue Wein in den Fässern gärt, finden jetzt viele Weinfeste statt. Oktober ist auch die Zeit der Kürbisse. Diese Früchte des Herbstes gibt es in großer Vielfalt. Sie können einige Zeit gelagert werden und zu sehr vielen und schmackhaften Speisen verarbeitet werden. Das Öl aus den Samenkernen der Steirischen Ölkürbisse ist eine besondere Delikatesse und geschmackliche Erfahrung. Kürbisse sind mehr als nur Gruselstaffage zu Halloween. Dennoch markieren sie als unentbehrliche Requisite den Übergang des Jahres von der Fülle des Lebens durch eine reiche Ernte in den kalten und tristen November, der für die Vergänglichkeit allen Lebens steht und in dem wir der Toten gedenken.

 

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zuletzt bearbeitet am 8.XI.2020