15. Okt. 2020

NATURBEOBACHTER AUS DER REGION


Keine Rose ohne Dornen? - Keine Rose ohne Stacheln!

 Joachim Schmitz

Deutsche Botaniker waren lange führend. Deshalb sind viele Fachbegriffe der deutschen Sprache entnommen und nicht wie sonst dem Altgriechischen oder dem Lateinischen. Das führt gelegentlich zu Missverständnissen, wenn die Begriffe anders definiert sind als sie der Volksmund versteht. So kommt es dann, dass Melonen und Bananen botanisch Beeren sind, Erdbeeren aber nicht.

So ist es auch mit den Gebilden, an denen man sich an Pflanzen pieken kann. Der Volksmund macht zwischen Stacheln und Dornen keinen Unterschied. Für den aktuellen Duden sind die Begriffe synonym, in der Botanik aber nicht. Dornen entsprechen umgewandelten Grundorganen. Anders als Tiere besitzen Höhere Pflanzen nur 3 Typen von Organen: Sprosse bzw. Achsen, Blätter und Wurzeln. Alle drei können zu Dornen umgestaltet sein. Stacheln sind einfache Auswüchse der äußeren Rindenschichten wie Haare oder Drüsen und entsprechen nicht einem Grundorgan.

Deshalb sind Stacheln nicht von Leitgefäßen durchzogen und leicht abbrechbar. Im Gegensatz zu Grundorganen ist ihre Anordnung keinem System unterworfen. Sie sind unregelmäßig verteilt und können auch auf Blatt- und Fiederstielen auftreten. Dies trifft auf die Stacheln von Rosen zu. Bei Brombeeren findet man alle möglichen Varianten von kleinen Borsten mit oder ohne Drüsenkopf, nadelförmigen Stacheln bis zu dicken, gebogenen Stacheln, manchmal sogar auf einer Pflanze, wie in der Abbildung oben zu sehen ist.

Dornen sind in unserer Flora viel häufiger. Weil es echte Organe sind, sind sie mit vom Stamm abzweigenden Leitgefäßen durchzogen und nicht von Hand abbrechbar. Sprossdorne sind umgewandelte Äste. Deshalb können sie nur aus Blattachseln entspringen, also unmittelbar über Blättern. Auch wenn kein Blatt mehr da ist, muss man unter ihrem Ansatz eine sichelförmige bis dreieckige Blattnarbe finden können. Sie können auch Blätter und Seitenknospen tragen. Nur endet ihr Wachstum irgendwann in einer scharfen Spitze. Die untere Abbildung zeigt einen solchen Sprossdorn, an dem Blätter sitzen, in deren Achseln wiederum kleine Sprossdorne entspringen.

Brombeere mit Stacheln (oben) und Weißdorn mit Sprossdornen

Am Beispiel der Rosengewächse kann man erläutern, warum der Unterschied für Botaniker so wichtig ist. Sprossdorne gibt es häufig in der Unterfamilie der Apfelartigen (Maloideae). Wildformen von Äpfeln und Birnen gehören dazu, ebenso Weißdorn und viele Zierpflanzen wie Feuerdorn und Scheinquitte. Das Gleiche gilt für die Unterfamilie der Pflaumenartigen (Prunoideae). Schlehe oder Schwarzdorn, Kirschpflaume und Steppenkirsche (Elternart der Sauerkirsche) haben Sprossdornen. Heutigen Pflaumen und Kirschen wurden die lästigen Dornen weggezüchtet. Rosen und Brombeeren gehören zur Unterfamilie Rosoideae, was sich eben auch dadurch belegen lässt, dass sie keine Dornen sondern Stacheln haben. Ob Pflanzen Stacheln oder Dornen haben, lässt also auch Rückschlüsse auf die Verwandtschaft zu.

Umgekehrt zu Sprossdornen sitzen Blattdornen unter Seitenzweigen an oder man findet wenigstens eine ruhende Knospe, da es sich um eine Blattachsel handelt. Blattdornen besitzen z.B. Berberitzen. Oft sind nur die Nebenblätter am Grund des Blattes verdornt und der Rest ist normal ausgebildet. Manchmal verdornen die beiden Nebenblätter und das Oberblatt, was dann einen „Dreizack“ ergibt.

Das dritte Grundorgan, die Wurzel, verdornt nur bei der tropischen Gattung Myrmecodia, die in Australien und Südostasien vorkommt, dort epiphytisch auf Bäumen wächst und Höhlungen für die Symbiose mit Ameisen ausbildet. Zum Schutz vor Feinden der Ameisen sind diese mit Wurzeldornen bewehrt.

 

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zuletzt bearbeitet am 8.XI.2020