24.März 2016

NATURBEOBACHTER AUS DER REGION


Heute schon gedillt? Ätherische Öle machen den Dill zum beliebten Heilmittel

Karl Josef Strank

Der Dill ist auch unter dem Namen Gurkenkraut bekannt, was einerseits einer seiner Hauptverwendungen geschuldet ist, denn süß oder sauer eingelegte Gurken sind ohne Dill nicht denkbar, andererseits aber auch mit seinem typischen Duft zu tun hat, denn er gibt den eher faden Gurken erst die Würze. Sein Name Anethum graveolens verweist auf seine orientalische Heimat. Das griechische anéthon bezeichnet ein Gewürz, das schon in der Antike aus dem Osten importiert wurde. Der Artname kommt vom latein. gravis für schwer, stark und olere für riechen, was im Gegensatz zu suaveolens für wohlriechend aber eher mit stark- bzw. übelriechend übersetzt werden muss, weil intensive und schwere Gerüche als unangenehm und penetrant empfunden wurden.

Dill ist ein typischer Vertreter der Doldengewächse, von denen im Capitulare de villis neben Wiesen-, Kreuz- und Bergkümmel noch Ammei, Anis, Fenchel, Möhre, Pastinak, Liebstöckel, Bärwurz, Mutterwurz, Pferdeeppich, Petersilie und Sellerie aufgeführt sind. Das unterstreicht die Bedeutung der Selleriegewächse als Küchen- und Gewürzkräuter. Neben den charakteristischen Blütendolden zeichnet die Familie eine Fülle von meist grob und derb bis fein und fedrig gefiederten Blättern aus.

Früchte verströmen den charakteristischen Würzduft. Im wahrsten Sinne des Wortes in sich haben es aber die Früchte. Das sind rundliche oder längliche, glatte oder gefurchte Körnchen, die den charakteristischen Würzduft verströmen, weil sie von Ölgängen durchzogen sind. In diesen Gängen speichern sie ätherische Öle. Chemisch bestehen die beim Dill aus Carvon (Kümmelduft), Cumarin, Furanocumarin und Kaffeesäurederivaten. Auf diesen Inhaltsstoffen beruht auch seine arzneiliche Wirkung. Dill gilt als Magenmittel.

Er regt die Magensaftsekretion an. Er beruhigt, bekämpft Blähungen, fördert die Verdauung, indem er die Muskulatur des Magen- und Darmtraktes entkrampft. Er hilft bei Koliken und ist sanft harntreibend. Die gekauten Samen, verbessern den schlechten Atem. Zusammen mit anderen krampflösenden Pflanzen lindert Dill den Periodenschmerz, steigert den Milchfluss und verhindert Koliken bei Säuglingen, wenn stillende Frauen ihn regelmäßig einnehmen. In der Homöopathie kommt die ganze, frische, blühende Pflanze bei Herz- und Kreislauferkrankungen zur Anwendung.

Schon die Römer verwandten Dill in der Küche zum Würzen von Geflügel und Wein. Sie verbreiteten das Würzkraut in ihrem Reich und Benediktinermönche brachten den Dill im frühen Mittelalter in den Norden und Osten Europas. Obwohl der Dill als orientalisches Würzkraut an die Sonne des Südens gewöhnt ist, gedieh und gedeiht er merkwürdigerweise in Skandinavien so gut, dass er schlichtweg als das Gewürz des Nordens bezeichnet werden kann. Dill würzt nicht nur süß oder sauer eingelegte Gurken, sondern gehört ebenfalls an milde Fischsoßen, wie man sie in den Küstenländern zubereitet. Warum gerade Fisch unbedingt nach der Würze des Dills verlangt, hat nach dem Paläobotaniker Hansjörg Küsters wohl mythische Gründe und geht auf die tiefergehende Bedeutung des Krauts in den Ländern des Nordens und Ostens zurück. Dort war und ist vielleicht noch immer der Glaube verbreitet, Dill besänftige Gewitter und Hexen. Demnach konnten „gedilltes“ Fleisch oder Fisch nicht verhext werden. Schon Anton von Perger berichtet in den Pflanzensagen, Dill „schützt vor Zauberei und Verhexung, weshalb ihn Bräute bei sich tragen sollen.“ Aus Brandenburg, der Magdeburger Gegend und dem Oderbruch wird überliefert, dass Bräute bei der Hochzeit Senf und Dill im Schuh trugen. Das sollte ihnen zum „häuslichen Regiment“ verhelfen, insbesondere, wenn sie folgenden Spruch aufsagten: „Ich habe Senf und Dill, mein Mann muss tun, was ich will!“

Dill wurde schon im 15. Jh. v.Chr. in den Gräbern ägyptischer Pharaonen gefunden. In der Bibel ist er neben Kümmel und Minze erwähnt, was ihn als uralte Kultur- und Medizinpflanze ausweist. Goethe schwärmte zeitlebens von der grünen Soße seiner Frankfurter Heimat, die nicht ohne Dill auskommt. Traditionell wird sie im Frühjahr als frische, vitaminreiche und würzige Zutat zu gekochtem Fisch und Fleisch gereicht. In Abwandlung eines heute gängigen Spruchs kann man daher mit Fug und Recht fragen: Heute schon gedillt?

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zuletzt bearbeitet am 24.III.2016