4. Febr. 2021

NATURBEOBACHTER AUS DER REGION


Der lautlose Jäger mit den Pinselohren

 Karl Josef Strank

Vor einem Jahr ging die Meldung durch die Presse, dass der Luchs in die Eifel zurückgekehrt ist. Die Nachricht sorgte, ganz im Gegensatz zu ähnlichen Verlautbarungen, dass der Wolf auf dem Vormarsch sei, nicht für Aufregung. Etwa 200 Jahre nach seiner Ausrottung kehrt der Luchs nun also zurück. Er ist das größte katzenartige Raubtier in Europa und war fast auf dem ganzen europäischen Festland heimisch. Im Osten ist der eurasische Luchs (Lynx lynx) noch häufig vertreten. Auf der Iberischen Halbinsel lebt ein naher Verwandter, der Pardelluchs (Lynx pardinus) in einer kleinen Restpopulation – die weltweit am stärksten bedrohte Katzenart.

Warum der Luchs bei uns ausgerottet wurde, dafür gibt es mehrere Ursachen: Er klaute den Bauern die Schafe, eine Folge der geringen Waldfläche und fehlender Wildtiere in seinem Lebensraum. Auch sein kostbares Fell und sein Fleisch, das hoch im Kurs stand, sorgten dafür, dass die Wildkatze beinahe ausgerottet wurde. Die Situation heutzutage ist eine andere: Es gibt mehr Wald als früher und folglich findet der Luchs wieder genug Nahrung – vom Rehwild über Hasen bis hin zum Frischling. Der aktuelle Gesamtbestand der Luchse wird bundesweit wieder auf etwa 50 Exemplare geschätzt. In der Bestandsdichte ist also noch viel Luft nach oben.

Für eine Katze hat der Luchs auffällig lange Beine mit breiten Tatzen. Diese funktionieren gleichsam wie Schneeschuhe. Mit dichter Behaarung im Winter verhindern sie, dass er tief in den Schnee sinkt. Er bringt mit seinen Schritten nur etwa 40 Gramm pro Quadratzentimeter auf den Boden, weniger als eine Wildkatze. Folglich hinterlässt er keine Einsinkrinnen. Die Fährte bleibt Pfote für Pfote klar abgegrenzt. Das Gesicht des Luchs ist viereckig kompakt. Umrahmt wird es von einem langen Backenbart. Dieser verbessert wie eine Art Reflektor das Hörvermögen, ähnlich wie bei der Schleiereule. Den charakteristischen schwarzen Pinselhaaren an den Ohrenspitzen schreibt man eine mit Antennen vergleichbare Wirkung zu. Seh- und Hörsinn sind dem Geruchssinn beim Luchs weit überlegen. Die Kopf-Rumpf-Länge variiert zwischen 80 und 105 Zentimetern. Das Gewicht eines Tieres liegt zwischen 14 und 36,5 Kilogramm. Der kurze Stummelschwanz mit schwarzer Spitze ist zehn bis 30 Zentimeter lang. Die Kater übertreffen die Weibchen in ihrer Größe weit und sind um circa 25 Prozent größer. Das Fell der Luchse besteht aus fünf bis sieben Zentimeter langen Grannenhaaren und einer dichten, seidigen Unterwolle. Der Rücken ist dichter behaart als die Bauchseite. Der Luchs ist vom Körperbau ideal an den schneereichen Norden angepasst.

Luchse sind überwiegend nachtaktiv. Nur, wenn übermäßiger Hunger sie treibt, sind sie auch tagsüber auf den Beinen. Ruheplätze finden sie in Nischen, dichtem Gebüsch, Höhlen und unter Felsüberhängen. Sie beanspruchen ein Revier von 20 bis 60 Quadratkilometern und legen auf nächtlichen Streifzügen Wegstrecken von über 20 Kilometern zurück. Männchen behaupten größere Reviere, die sich mit denen von ein bis zwei Weibchen überlappen.

Der Luchs ist ein heimlicher Lauer- und Anschleichjäger. Sich wie ein Luchs zu verhalten meint umgangssprachlich auch: angespannt, ruhig und aufmerksam spähend schauen, nach etwas ausschauen oder auf listige Weise etwas herausholen und an sich bringen, kurzum: jemandem etwas abluchsen.

Er überwältigt das Opfer in einem kräftigen Sprung, packt es mit seinen Vorderpfoten und tötet es mit einem gezielten Biss in die Kehle. Zu seiner Beute kehrt er in mehreren Nächten zurück, bis sie vollständig verzehrt ist. Übrig bleiben Fell, Kopf, große Knochen und der Verdauungstrakt. Durchschnittlich erlegt ein Luchs ein Reh – oder andere Beute vergleichbarer Größe pro Woche. Das sind 60 Tiere pro Jahr. Auf den Wildbestand wirkt sich die Anwesenheit eines Luchses positiv aus.

Luchse sind Einzelgänger. Zur Paarungszeit von Ende Februar bis April verbringen Weibchen und Männchen einige Tage zusammen

Die Ende Mai bis Anfang Juni geborenen Jungen sind anfangs blind und werden von der Mutter allein aufgezogen. Die ein bis vier geworfenen Jungen verbringen rund zehn Monate mit dem Muttertier, bis sie vertrieben werden und sich ein eigenes Revier suchen müssen. Das erste Jahr überleben nur wenige. Gelingt es, ein eigenes Revier zu besetzen und zu behaupten, kann der Luchs sich langfristig etablieren.

 

voriger Artikel ← | → nächster Artikel

Auswahl nach Erscheinungsdatum

Auswahl nach Themenstichwort

Startseite

zuletzt bearbeitet am 9.III.2021