20. Febr. 2020

NATURBEOBACHTER AUS DER REGION


Duftende Frühlingsblume mit vielen Bedeutungen

 Karl Josef Strank

Zu den ersten Blumen, die uns im zeitigen Frühjahr mit dunkelvioletten Blüten begrüßen, gehört das März-Veilchen, Viola odorata. Wie der Artname anzeigt, betören die Blüten durch einen angenehmen Wohlgeruch. Die Veilchen begründen eine eigene Pflanzenfamilie und die Gattung Viola ist mit etwa 500 Arten in den gemäßigten Zonen der Welt verbreitet. Sie umfasst Kräuter und Stauden und ist bei uns mit etwas mehr als 30 Arten vertreten. Die Blätter haben große, oft gefranste Nebenblätter. Die Blüten sind lang gestielt und hängen mehr oder weniger nickend nach unten. Sie sind fünfblättrig, der Kelch weist am Grund krautige Anhängsel auf und das unterste Kronblatt bildet einen Sporn aus. Die untersten Staubblätter ragen in diesen mit je einem Nektar absondernden Anhängsel hinein. Ob dieser Details lohnt es sich, die Blüte des Veilchens einmal genauer unter die Lupe zu nehmen. Der dreiblättrige Fruchtknoten ist oberständig und bildet zur Reife eine vielsamige Kapselfrucht, die in drei Teile aufreißt.

Auf den Schwermetallböden des Aachener-Stolberger-Raums, vor allem am Schlangenberg in Breinig, wächst ein ganz besonderes gelbes Veilchen, das Galmei-Veilchen (Viola calaminaria). Dieses Veilchen ist neben anderen Pflanzen, die Schwermetalle ertragen, die Charakterart des Schwermetallrasens (Violetum calaminariae) einer Vegetationseinheit unserer Region, die weltweit bekannt ist. Einzigartig ist auch das Vorkommen von Viola cheiranthifolia, dem Teide-Veilchen. Diese Art ist die am Höchsten steigende Blütenpflanze der Kanarischen Inseln. Sie wächst nur am Pico del Teide und benachbarten Bergen auf Teneriffa in Höhen zwischen 2500 und 3500 Metern. Ich hatte das Glück, sie während einer Exkursion in Studienzeiten in einem Bimsfeld am Teide zu finden.

Weniger spektakulär sind die anderen heimischen Arten. Das als Saisonblume sehr beliebte Garten-Stiefmütterchen, Viola wittrockiana, ist vermutlich aus einer Kreuzung des Gewöhnlichen Stiefmütterchens, V. tricolor, und des Gelben Stiefmütterchens, V. lutea, hervorgegangen. Gärtnerisch wird es in vielen Farbvarianten kultiviert.

Eine blütenbiologische Besonderheit des März-Veilchens gab Anlass zu vielerlei Deutungen. Es ist der Umstand, dass es im Sommer noch einmal unscheinbare Blüten ausbildet, die sich nicht öffnen und selbst befruchten, ein Vorgang der Kleistogamie, Hochzeit im Verborgenen, genannt wird.

Im 18. und 19. Jahrhundert sah man darin einen Hang zu Verborgenheit und Zurückgezogenheit, erkannte gar unsichtbare Tugenden, sittsame, stille und zärtliche Gefühle. Die ersten Veilchen im Frühjahr sprießen, wenn Aphrodite, die „Veilchenbekränzte“ oder „Veilchenhaarige“ über die Erde schreitet. Die Blumen wachsen verborgen unter Hecken oder im Schatten des Waldes, verströmen aber dennoch einen betörenden Duft. Diese fast betäubende Verführung galt den alten Griechen als Täuschung. Shakespeare erkennt im Veilchen die Unschuld der ersten Liebe und ein Veilchenstrauß signalisiert heimliche Verehrung und anhängliche Treue.

In christlicher Deutung stehen die purpurnen Blüten für das Leiden Christi und die Liturgie der Passion in der Osterzeit. „Veilchen im Gottesgarten“ nannte im 5. Jahrhundert Bischof Eucherius von Lyon die Märtyrer des christlichen Glaubens. Die Gottesmutter Maria hält auf Stephan Lochners Bild die Veilchenblüte als schönste Zierde und „Szepter der Bescheidenheit“.

Die Ausbreitungskraft und das andauernde Wachstum der Veilchen lassen sich aber auch deuten als das Erreichen der Weltherrschaft auf stille Weise, als Hinweis auf die zielstrebige weltweite Verbreitung der christlichen Lehre. Für Sigmund Freud bedeutete der Name Viola gar Gewalt. Träumt eine Frau von Veilchen, bedeute das, Angst vor wilder sexueller Belästigung.

Das als Veilchenwurzel gehandelte Präparat, das zahnenden Kindern zur Linderung der Spannungen im Zahnfleisch zum Kauen gegeben wird, ist allerdings botanisch gar kein Veilchen, sondern das Rhizom, der Wurzelstock, einiger Irisarten, die einen Veilchenduft verströmen.

 

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zuletzt bearbeitet am 27.III.2020