17. Okt. 2019

NATURBEOBACHTER AUS DER REGION


Nutria – einst Pelzlieferant, heute ein Problemtier

 Karl Josef Strank

 

Als Studierende die Aktivitäten des Bibers im Rabental in diesem Sommer mit Wildtierkameras dokumentierten, ist regelmäßig auch eine Nutria in die Fotofalle getappt. Diese trippelte dem Biber auf seinen Pfaden hinterher. Eine gewisse Ähnlichkeit ist vorhanden, aber man kann sie gut unterscheiden. Die Nutria ist kleiner und hat einen runden, rattenartigen Schwanz, während der Biber einen breiten abgeplatteten mit Schuppen besetzten Schwanz hat, Kelle genannt, der ihm im Wasser auch als Ruder dient. Beheimatet ist er in der nordischen Zone, während die Nutria aus dem subtropischen und gemäßigten Südamerika stammt, mit Verbreitung vom südlichen Brasilien bis nach Feuerland, wo sie entlang von Flüssen, in Seen, Teichen und Sümpfen lebt. Wissenschaftlich heißt sie Myocastor coypus. Der Artname geht auf die Bezeichnung „Coypu“ zurück, so nennen die Einheimischen in Chile die Nutria. Der Gattungsname bedeutet „Mausbiber“. Häufig werden auch die Namen Biberratte oder Sumpfbiber verwendet, was irreführend ist, denn die Nutria ist weder mit den Ratten noch mit den Bibern enger verwandt. Das Wort Nutria ist spanisch für Fischotter, und da die Felle unter diesem Namen gehandelt wurden, hat er sich auf Dauer durchgesetzt. Um die Verwirrung vollständig zu machen, wird die Nutria auch schon mal mit der Bisamratte verwechselt. Diese ist aber nur halb so groß, stammt aus Nordamerika und hat einen seitlich abgeplatteten Schwanz. Nutria und Bisam haben sich beide in Europa als Neozoen, eingewanderte ursprünglich ortsfremde Arten, etabliert, was zu nicht unerheblichen Problemen führt.

Die Nutria erreicht 65 Zentimeter Körperlänge, der Schwanz bis 45 Zentimeter, bei einem Gewicht von 8-10 Kilogramm. Der Biber hat bis zu 100 Zentimeter Körperlänge, die Kelle etwa 35 Zentimeter, bei einem Gewicht von 25-30 Kilo. Biber und Nutria verfügen über vier kräftige Nagezähne, die immer nachwachsen und sich selbst schärfen, wenn der Unterkiefer am Oberkiefer entlangreibt. Durch Eiseneinlagerungen im Schmelz werden sie gehärtet und sind orange bis rotbraun gefärbt.

Nutrias sind tag- und nachtaktiv, häufig sieht man sie in der Dämmerung. Sie ernähren sich von Pflanzen. Hackfrüchte mögen sie sehr. Gelegentlich fressen sie auch Schnecken, Würmer und Süßwassermuscheln. Sie sind monogam, leben paarweise oder in größeren Gruppen. Sie halten keinen Winterschlaf und können sich zu jeder Jahreszeit fortpflanzen. Zwei bis drei Würfe pro Jahr sind möglich, die Jungen sind nach fünf Monaten geschlechtsreif, was die Population regelrecht explodieren lässt, wenn die äußeren Bedingungen es hergeben. Sie graben Röhren oberhalb der Wasserlinie oder legen aus Schilf und dünnen Stöcken im Uferbereich „Nester“ an.

Die Nutria ist als Lieferant guter Pelze nach Europa eingeführt worden. Besonderes Merkmal der Felle ist die dichte, weiche und äußerst feine Unterwolle. Die struppigen und langen Grannenhaare wurden geschoren. Vermutlich sind Nutrias bereits zu Beginn des 18. Jahrhunderts in Deutschland eingeführt und ausgewildert worden. Nutriapelze dienten als Robbenfellersatz. Intensive, weil lukrative Bejagung führte Anfang des 19. Jahrhunderts zur weitgehenden Ausrottung der freilebenden Bestände. Diese erholten sich, als die Mode sich änderte und der Bedarf an Fellen durch die Zucht gedeckt wurde, die vor dem Zweiten Weltkrieg in Deutschland ihren Höhepunkt hatte. Modebedingt und aus Tierschutzgründen spielt auch sie heute keine Rolle mehr. In der südamerikanischen Heimat wird das Fleisch der Nutria bei der einheimischen Bevölkerung und den Jägern als Delikatesse sehr geschätzt. Es ist zart und wohlschmeckend wie ein Spanferkel. Die „Rattenähnlichkeit“ der Nutria trägt aber bei uns dazu bei, dass sie nicht auf dem Speiseplan steht.

Immens sind die Schäden, die Nutrias durch ihre grabende und wühlende Tätigkeit an Wasserbauanlagen anrichten. Sie unterhöhlen Deichanlagen und Uferbereiche. Der Fraß von Uferröhrichten schränkt den Lebensräum anderer seltener Arten ein. Wegen der Gefährdung von Deichanlagen bejagen die Niederländer sie intensiv mit dem Ziel, das Land von der Nutria zu befreien.

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zuletzt bearbeitet am 1.I.2020