11. Juli 2019

NATURBEOBACHTER AUS DER REGION


Eine possierliche Schönheit mit großem Schlafbedarf

 Astrid von Reis

 

Zugegeben, schön ist Ansichtssache. Doch die Haselmaus, wissenschaftlich Muscardinus avellanarius, ist ein richtig hübsches Tier: große dunkle Knopfaugen, aufrecht stehende runde Ohren, orangebraunes bis ockerfarbenes Fell mit weißen Stellen an Kehle und Bauch sowie ein buschig behaarter Schwanz, der etwa genauso lang ist wie der bis zu sieben Zentimeter lange Körper.

Eine Mäusephobie darf man natürlich nicht haben. Doch halt, die Haselmaus gehört gar nicht zu den Mäusen. Sie ist lediglich ein mausähnliches, nachtaktives Nagetier, das zu der Familie der Bilche (Gliridae) gehört. Hier ist sie der kleinste europäische Vertreter und nah verwandt mit dem Siebenschläfer, dem Gartenschläfer und dem Baumschläfer. Wie der Name der letztgenannten verrät, schlafen diese Tiere und auch die Haselmaus recht viel.

Die Haselmaus kann bis zu sechs Jahre alt werden, hält allerdings in der Zeit von Oktober bis April Winterschlaf. Hierzu sucht sie sich frostsichere Erdhöhlen oder Baumstümpfe, die sie mit wärmendem Material auskleidet, um im Energiesparmodus bei einer Körpertemperatur von gerade mal etwas über dem Gefrierpunkt, von Nasenspitze bis Schwanz eingerollt, zu überleben. Und auch in der Zeit zwischen April und Oktober wird viel geschlafen – zumindest tagsüber. Dann verschläft sie den lieben langen Tag in mit Gras, Rindenstreifen und Laub ausgepolsterten, ungefähr faustgroßen Kobeln, die sie gekonnt im Dickicht von beispielsweise Brombeerranken oder anderem dichten Aufwuchs baut. Gerne wohnt sie auch in höher liegenden Baumhöhlen oder Nistkästen für Vögel. Erst mit der Dämmerung wird sie aktiv. Umstände, weshalb man sie selten sieht.

Die Haselmaus kommt hauptsächlich in Mittel-, und Osteuropa sowie in Teilen Nord- und Südeuropas lückenhaft vor und lebt hauptsächlich in unterholzreichen Laub- und Mischwäldern, in strukturreichen Waldsäumen und breiten artenreichen Hecken, in denen sie sich und ihre Nester gut verstecken kann. Für eine dauerhaft überlebensfähige Population benötigt die Haselmaus einen passenden Lebensraum von mindestens 20 Hektar. Dickicht mit vielen Zweigen von Beerensträuchern und – wie der Name schon sagt – Haselbeständen ist optimal. Hier kann sie sich gut fortbewegen, den Bodenkontakt vermeiden und damit auch Fressfeinden wie dem Rotfuchs, der Wildkatze, streunenden Hauskatzen gut ausweichen. Bleiben noch Eulen, Greifvögel, Hermelin, Mauswiesel und weitere Feinde, bei denen nur die Flucht bleibt. Hier kommt ihr zu Gute, dass sie ein wahrer Kletterkünstler ist. Entscheidend helfen ihr hierbei die jeweils ersten Zehen, die wie ein Daumen um Zweige geklammert werden, so dass sie sich wie Affen auch in einer Art Hangeltechnik flink und gewandt fortbewegen kann. Ihr Schwanz dient als Balancierhilfe.

Zahl stark geschrumpft

Aber die possierlichen Nager sind leider sehr selten geworden. Durch die Beseitigung und Verinselung ihrer Lebensräume durch Land- und Forstwirtschaft, das Diktat der sauberen Landschaft seitens der EU-Agrarförderung und dem Tagebau ist die Haselmaus besonders gefährdet. Sie steht unter strengem Artenschutz und ist in der EU in Anhang IV der FFH-Richtlinie gelistet.

Dichtes Buschwerk benötigt die Haselmaus. Hier findet der Allesfresser auch die Nahrung. Hierzu gehören je nach Jahreszeit Knospen, Blüten, Früchte, Schnecken, Würmer, Insekten, Vogeleier, Eicheln, Bucheckern, Kastanien und natürlich Haselnüsse.

Mit ihren Artgenossen verständigen sie sich hauptsächlich mittels Pheromonen über ihren Geruchssinn. So wird das Revier abgesteckt und so finden sich auch die ab dem ersten Lebensjahr geschlechtsreifen Partner. Die Paarungszeit beginnt direkt nach dem Winterschlaf und nach etwa 23 Tagen gebiert das Weibchen bis zu sieben nackte Junge. Die Nesthocker bleiben etwa zwei Monate bei der alleinerziehenden Mutter. Hoffentlich bleiben uns die Schönheiten erhalten, zwei Würfe im Jahr sind möglich – wenn die äußeren Bedingungen stimmen.

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zuletzt bearbeitet am 10.VIII.2019