14. März 2019

NATURBEOBACHTER AUS DER REGION


Nicht alles, was aussieht wie ein Kaktus, ist auch einer

 Joachim Schmitz

 

Als Anpassung an trockenes, warmes Klima haben sich in vielen Pflanzenfamilien Formen entwickelt, die Wasser in dickfleischigen Organen speichern. Diese sind durch einen Wachsüberzug vor Verdunstung geschützt, so dass sie meistens grau- oder blaugrün aussehen. Wissenschaftlich nennt man solche Pflanzen Sukkulente. Blattsukkulente, bei denen also hauptsächlich die Blätter verdickt sind, findet man z.B. bei den Dickblattgewächsen (Crassulaceae), den Agaven (Agavaceae) und den Mittagsblumengewächsen (Aizoaceae), zu denen auch die spektakulären „lebenden Steine“ gehören. Die bekanntesten Stammsukkulenten sind die Kakteen (Cactaceae). In vielen anderen Familien haben sich aber auch Stammsukkulenten entwickelt. Bei Portulakgewächsen (Portulacaceae) gibt es beides.

Als Wüstenpflanzen halten es Sukkulente auch in der trockenen Luft auf zentralbeheizten Fensterbänken aus. Deshalb sind sie relativ beliebte Zimmerpflanzen. Wohl weil Kakteen darunter die populärste Gruppe sind, halten Laien alle Sukkulenten für Kakteen, aber längst nicht alle Pflanzen, die so aussehen, sind wirklich Kakteen.

Die echten Kakteen sind amerikanische Endemiten, d.h. sie kommen nur in Amerika von den Südstaaten der USA bis Südamerika vor. Dass der Mensch inzwischen einzelne Arten auch auf andere Kontinente verschleppt hat, soll hier mal ausgeblendet bleiben. Kakteen sind Stammsukkulente. Der Stängel ist zu einem fleischigen, meistens kugelförmigen oder zylindrischen Körper umgeformt. Blätter gibt es (außer bei der sehr ursprünglichen Pereskia) nicht mehr, aber ihre Stellung kann man noch an den sogenannten Areolen erkennen. Das sind die Büschel aus zahlreichen Dornen, die als seitliche Kurztriebe interpretiert werden, und damit zeigen, dass hier früher mal ein Blatt war, aus dessen Achsel ein Seitentrieb entsprungen ist. Entsprechend der ursprünglichen Blattstellung gibt es Areolen in zwei senkrechten Reihen am Stängel oder in 3, 5, 8, 13 oder noch mehr Reihen. Die Blütenorgane sind stark vermehrt; es gibt also viele Blüten- und Kelchblätter und die Frucht ist eine vielsamige Beere.

Wüsten im subtropischen Klima gibt es auch in Afrika, aber die Kakteen haben sich erst nach der Abtrennung Amerikas von der Alten Welt entwickelt. In Afrika sind deshalb Vertreter ganz anderer Familien in diese ökologische Nische eingedrungen. Dabei sind auch Formen entstanden, die mit ihren zylindrischen Stängelgliedern manchen Kakteen täuschend ähnlich sehen. Wenn spezielle Umweltbedingungen in verschiedenen Verwandtschaftskreisen zu ähnlichen Körperformen führen, nennt man das in der Evolutionstheorie Konvergenz. Ein Beispiel aus dem Tierreich ist die Fischgestalt von schwimmenden Wassertieren.

Wolfsmilchgewächse (Euphorbiaceae) sind weltweit verbreitet. In den afrikanischen Wüsten haben sich Arten entwickelt, die eine starke Konvergenz zu ähnlichen Kakteen zeigen. Sie sind natürlich an den Blüten sofort als Wolfsmilchgewächse zu erkennen. Aber auch im vegetativen Zustand kann man sie identifizieren: Sie haben keine Areolen; bei ihnen sind nur die Nebenblätter verdornt, deshalb sind die Dornen immer paarig angeordnet.

In afrikanischen Wüsten spielen ebenfalls Seidenfadengewächse (Asclepiadaceae) eine große Rolle. Die haben keine Dornen, stattdessen auf kleine Nadeln reduzierte Blätter. Die Blüten sind oft bräunlich und riechen unangenehm, um Fliegen anzulocken. Ähnliche Wuchsformen kommen noch in weiteren Familien vor, z. B. bei Korbblütlern.

 

Alles keine Kakteen: v.l.n.r. ein Wolfsmilchgewächs (Euphorbia submammillaris), ein Korbblütler (Senecio stapeliiformis) und ein Seidenfadengewächs (Huernia penzigii).

 

 

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zuletzt bearbeitet am 17.V.2019