27. Dez. 2018

NATURBEOBACHTER AUS DER REGION


Champagner mikrobiologisch betrachtet

 Joachim Schmitz

Zu Silvester knallen wieder die Korken. Dann darf’s auch mal ein teurer Champagner sein. Aber wer weiß schon, wie Champagner genau gemacht wird und welche Prozesse dabei ablaufen?

Vermutlich wurde in der Champagne im Norden Frankreichs schon seit der Römerzeit Wein angebaut. Die Geschichte des Champagners fängt damit an, dass man im 17. Jhdt. begann, Wein nicht mehr fassweise sondern in Glasflaschen zu verkaufen. Da die Gärung bei der Abfüllung noch nicht abgeschlossen war, gärte der Wein in der Flasche weiter und es entstand neue Kohlensäure. Der Wein schmeckte so spritziger. Die Gefahr war aber auch groß, dass durch den Überdruck von Kohlendioxidgas der Korken herausschoss oder die Flasche gar platzte. Bald schon kam man auf die Idee, den Wein fertig gären zu lassen, dann auf Flaschen zu ziehen und durch Zuckerzusatz eine zweite Gärung in der Flasche herbeizuführen. Der Benediktinermönch Dom Pérignon entwickelte diese Methode weiter und legte damit den Grundstein für die Produktion von Champagner. Dieses Getränk war allerdings hefetrüb. 1806 entwickelte Madame Clicquot ein Verfahren, die Hefe zu entfernen.

Heute wird Champagner in folgenden Schritten hergestellt: Zuerst werden aus verschiedenen Rebsorten Weine durch normale alkoholische Gärung mit Hilfe der Hefe Saccharomyces cerevisiae produziert. Oft folgt dann noch eine sogenannte malolaktische Gärung. Dabei wird die Äpfelsäure im Wein durch Bakterien zu Milchsäure weiter vergoren. Diese kann von der Weinhefe weiter zu Alkohol abgebaut werden. Dadurch wird dem Wein Säure entzogen und der Geschmack weicher.

Aus diesen Weinen mehrerer Rebsorten und unterschiedlichen Alters wird der Grundwein verschnitten und auf Flaschen gefüllt. Dazu kommen Zuckersirup und Hefe und die Flasche wird verschlossen. Für die zweite Gärung benutzt man spezielle Hefen, z. B. Saccharomyces bayanus. Ein Hersteller von Weinbauprodukten bewirbt diese Hefe mit den Worten: „Besonders geeignet für die Wiederaufnahme der Gärung, die Schaumbildung und schwierige Gärungen. (...) Bei der Perlwein- und Sektbereitung entfaltet [dieser Stamm] seine Eigenschaften am besten (...). Längerer Kontakt mit der Hefe in der Nachgärungsphase können zu angenehmen »Brotkrusten«-Gerüchen führen“ (www.vason.com). Nach der Gärung stirbt die Hefe ab und entwickelt durch die sogenannte Autolyse besondere Aromen. Deshalb muss die Hefe noch Monate in der Flasche bleiben. Für Champagner ist ein solches „Hefelager“ von mindestens 15 Monaten vorgeschrieben.

Schließlich muss die Hefe entfernt werden. Dazu werden die Flaschen gerüttelt, d. h. auf speziellen Regalen zunächst wenig geneigt und jeden Tag ruckartig kurz gedreht. Dabei wird die Neigung immer steiler bis die Flasche senkrecht steht und sich die Hefe im Flaschenhals gesammelt hat. Das war eine mühselige Handarbeit, wird aber heute fast nur noch von Maschinen gemacht. Meist wird der Flaschenhals dann eingefroren. Nach dem Öffnen treibt der Gasdruck den Eispfropf mit der Hefe heraus. Die dadurch entstandene Lücke wird mit der Dosage wieder aufgefüllt. Das kann der Grundwein sein, unvergorener Traubenmost oder ein Süßwein. Die Dosage ist entscheidend für die Geschmacksrichtung. Dabei gelten allerdings andere Grenzen als beim Wein. In Deutschland darf trockener Wein maximal 9g/l Zucker haben, trockener Sekt oder Champagner aber bis zu 35 g/l!

Heute gibt es in der EU viele geschützte Marken- und Herkunftsbezeichnungen. Die Lobby der Champagner-Hersteller hat sehr frühzeitig sehr rigorose Schutzbestimmungen durchsetzen können. Selbst der Hinweis „Méthode champanoise“ ist verboten. Deutsche Sekte, die nach dieser Methode hergestellt werden, tragen die Aufschrift „Traditionelle Flaschengärung“ o. ä. Flaschengärung ohne Zusatz bedeutet übrigens, dass der Sekt in speziellen Gärflaschen hergestellt, die Hefe aber durch Filtration des Flascheninhalts entfernt und der fertige Sekt einschließlich Dosage in eine neue Flasche abgefüllt wurde.

voriger Artikel ← | → nächster Artikel

Auswahl nach Erscheinungsdatum

Auswahl nach Themenstichwort

Startseite

zuletzt bearbeitet am 27.XII..2018