16. Aug. 2018

NATURBEOBACHTER AUS DER REGION


Flurbereinigung - So wird Landschaft geplant

Joachim Schmitz

»Es geht ein Mann durch das bunte Land/ Die Meßkette hält er in der Hand./ Sieht vor sich hin und sieht sich um/ „Hier ist ja alles schief und krumm“/ Er mißt wohl hin und mißt wohl her/ „Hier geht ja alles kreuz und quer“/ Er blickt zum Bach im Tale hin/ „Das Buschwerk dort hat keinen Sinn“/ Zum Teiche zeigt er mit der Hand/ „Das gibt ein Stück Kartoffelland“/ Der Weg macht seinen Augen Pein/ „Der muß fortan schnurgerade sein“/ Die Hecke dünket ihn ein Graus/ „Die roden wir natürlich aus“/ Der Wildbirnbaum ist ihm zu krumm/ „Den hauen wir als ersten um“/ Die Pappel scheint ihm ohne Zweck/ „Die muß da selbstverständlich weg“/ Und also wird mit vieler Kunst die Feldmark regelrecht verhunzt.«

So hat Hermann Löns schon 1909 die Flurbereinigung beschrieben. Der jüngeren Generation wird der Name Löns nichts mehr sagen. Die älteren verbinden den Namen wohl am ehesten mit dem „Heidedichter“, der für sentimentale Gedichte über die Schönheit der Lüneburger Heide bekannt war. Kaum einer weiß, dass er auch ökologisch engagiert war zu einer Zeit, in der das Wort Ökologie nur eine Handvoll Fachleute kannten.

Flurbereinigung nennt man das Verfahren der Bodenneuordnung im ländlichen Raum. Die Ursprünge gehen bis ins Mittelalter zurück. In manchen Gegenden Deutschlands war es üblich, landwirtschaftlich genutzte Flächen unter den Erben aufzuteilen, die sogenannte Realteilung. Als sich die Agrarflächen noch durch immer neue Rodungen ausdehnten, mag das kein Problem gewesen sein. Aber irgendwann wurden die Höfe von Generation zu Generation immer kleiner, bis es eben buchstäblich zum Sterben zu viel und zum Leben zu wenig war. So bestand die Notwendigkeit, zersplitterte Agrarflächen wieder zusammenzuführen. Ein weiterer Grund für Neuordnungen war die zunehmende Privatisierung früher gemeinschaftlich bewirtschafteter Flächen (Allmende).

In Preußen wurde die Flurbereinigung 1821 zur staatlichen Aufgabe. Seit 1872 war die entsprechende Behörde nicht mehr nur für Zusammenlegungen sondern auch für die allgemeine Verbesserung der Infrastruktur im ländlichen Raum zuständig. So wurden Wege ausgebaut und begradigt, Moore trockengelegt usw., so wie es Löns in seinem Gedicht beschrieben hat.

In Deutschland gilt heute das Flurbereinigungsgesetz von 1953. In den folgenden Jahren wurden in großem Umfang Bäche begradigt und die Landschaft ausgeräumt, um neues Agrarland zu gewinnen. Dabei wurden nicht nur Flächen zusammengelegt und Wege aufgelassen; manchmal wurden Areale auch völlig neu überplant. Ein Beispiel kenne ich aus eigener Anschauung. In einem Gebiet der Zülpicher Börde habe ich mich in den 1980er Jahren regelmäßig verlaufen trotz genauer topografischer Karte. Irgendwann habe ich dann gemerkt, dass das Wegenetz völlig neu geordnet und von den Wegen auf der Karte nichts mehr übrig geblieben war. Ein besonders berüchtigtes Beispiel ist der Kaiserstuhl bei Freiburg, auf dem ab den 1960er-Jahren gewachsene Weinberge in eine künstliche Terrassenlandschaft vom Reißbrett verwandelt wurden.

Inzwischen hat man gemerkt, dass kanalisierte Bäche häufiger und schneller über die Ufer treten und in der ausgeräumten Landschaft viele für wilde Pflanzen und Tiere wichtige Biotope verlorengegangen sind. Vor kurzem ist der massive Rückgang von Insekten in Deutschland durch die Medien gegangen. Heute ist es die Aufgabe der Flurbereinigung, die alten Sünden - soweit noch möglich - zu korrigieren. Landwirtschaftliche Flächen müssen entwidmet werden, Bäche bekommen einen naturnahen Verlauf wieder und um Naturschutzgebiete werden Pufferzonen geschaffen.

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zuletzt bearbeitet am 16.VIII.2018