2. Aug. 2018

NATURBEOBACHTER AUS DER REGION


Bei Nacht sind alle Katzen grau ...und alle Blüten weiß?

Joachim Schmitz

Die meisten Blüten locken ihre Bestäuber mit Farben an, was oft noch durch auffällige Muster und Zeichnungen verstärkt wird. Aber was ist mit bleichen Blüten? Auch hier fand Christian Konrad Sprengel, der die Bestäubung von Blüten durch Insekten entdeckte, die richtige Lösung: Sie werden von Nachtfaltern bestäubt.

Der Begriff Nachtfalter ist zoologisch nicht eindeutig. Als Bestäuber kommen vor allem Vertreter der Schwärmer, Eulen, Bärenspinner und Spanner in Betracht. Es handelt sich überwiegend um relativ große Tiere. Wie Tagfalter besitzen sie einen Saugrüssel als Mundwerkzeug. Sie können also nur flüssige Nahrung wie Nektar aufnehmen. Im Gegensatz zu Tagfaltern können sie wie Kolibris im Flug auf einer Stelle verharren.

Typische Nachtfalterblumen sind also unscheinbar weißlich gefärbt, da Farbe nachts nicht erkennbar ist. Sie besitzen Nektar am Grund mehr oder weniger langer Röhren oder Sporne, damit keine illegitimen Besucher wie Bienen daran kommen. Es muss keine Lippe oder ein sonstiger „Landeplatz“ vorhanden sein, weil die Falter im Flug stehen bleiben können. Manche Arten wie die Zaunwinde (Calystegia sepium) bilden große weiße Blüten aus, so dass sie sich nachts doch etwas vom dunklen Hintergrund abheben. Allen Nachtfalterblumen gemein ist ein ausgeprägter Duft. Nachtfalter besitzen einen extrem guten Geruchssinn, mit dessen Hilfe sich u. a. die Geschlechtspartner finden. Dies machen sich die Blumen für ihre Zwecke zu Nutze.

Da tagsüber ohnehin kein Blütenbesuch erfolgt, sparen sich die Blumen oft den Aufwand und produzieren Nektar und Duft nur nachts. Manchmal entfalten sich die Blüten auch nur nachts und sehen tagsüber unscheinbar aus. Ein extremes Beispiel ist die abgebildete Acker-Lichtnelke (Silene noctiflora), ein inzwischen sehr selten gewordenes Ackerwildkraut. Tagsüber sehen die Blüten verschrumpelt aus, abends entfaltet sich die Krone und ab zehn Uhr ist die Blüte empfangsbereit.


Acker-Lichtnelke am Tag...

...und in der Nacht

 

Ein solches Verhalten ist natürlich für den Garten unattraktiv. Deshalb haben Nachtfalterblumen kaum ins Gartensortiment gefunden. Mondviolen (Lunaria-Arten) sind wohl auch wegen der zierenden Früchte in Kultur genommen worden. Nachtkerzen (Oenothera-Arten) haben ihren Namen daher, dass sich die Blüten erst abends öffnen. Gelegentlich sieht man Oe. missouriensis, die wohl wegen ihrer sehr großen Blüten kultiviert wird. Am ehesten findet man Lichtnelken der Gattung Silene im Angebot, vor allem niedrige Arten für den Steingarten. Größere Arten wie die Weiße (Silene alba) und die Nickende Lichtnelke (S. nutans) bekommt man wie das Seifenkraut (Saponaria officinalis) nur in Spezialgärtnereien für wilde Arten.

Spezielle Samenmischungen mit Tagfalterblumen gibt es im Handel, Mischungen für Nachtfalter habe ich bisher nicht gesehen. Dabei wäre das mindestens so wichtig die Förderung der Tagfalter. Dass die Zahl der Insekten insgesamt dramatisch abgenommen hat, ist inzwischen belegt. Ganz besonders trifft dies die Nachtfalter. Vor 30 Jahren brauchte ich selbst in einer Stadtwohnung abends nur mal ein Fenster öffnen, und schon war eine Gamma-Eule im Zimmer. Heute kann man stundenlang alle Fenster auflassen und es kommt nichts.

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zuletzt bearbeitet am 26.VII.2018