8. Febr. 2018

NATURBEOBACHTER AUS DER REGION


Seidelbast – ein bemerkenswerter Strauch unserer Wälder und Gärten

Karl Josef Strank

Durchaus schon jetzt im Februar macht ein niedriger Strauch mit schönen, purpurroten Blüten auf sich aufmerksam. Er ist kein ausgesprochener Winterblüher wie Jasmin oder duftender Schneeball, denn er blüht noch bis in den April. Der Gemeine Seidelbast, Daphne mezereum, ist dennoch in mehrfacher Hinsicht etwas Besonderes. Er wächst bei uns wild im lichten Unterholz von Kalkbuchenwäldern. Apropos „gemein“ ist er über große Teile Europas und Südwestsibiriens bis hin zum Kaukasus verbreitet. Bei dieser Verbreitung wundert es dann auch nicht, dass er viele Volksnamen hat. Das reicht von Kellerhals über Tist, Tystbast, Wolfsbast, Z(e)iland, Scheißlorbeer, Purgierkraut und Märzblume bis Bergpfeffer.

Der sommergrüne Strauch hat rutenförmige Äste, an deren Enden die lanzettlichen, kurzgestielten Blätter schopfartig gehäuft stehen. Die Blüten erscheinen vor den Laubblättern und sitzen unterhalb des Blattschopfes zu mehreren rundum direkt an der Sprossachse. Diese Stammblütigkeit kennen wir normalerweise von Tropenpflanzen wie dem Kakao. Seidelbast ist die einzige „kauliflore“ Gattung in Mitteleuropa. Den purpurroten vierblättrigen Blüten fehlt die Krone. Was kronblattartig aussieht, sind die freien Kelchblattzipfel, die unten röhrig in einen Achsenbecher übergehen. Die zwittrigen Blüten duften stark und sondern reichlich Nektar ab. Blütenbiologisch sind es Stieltellerblumen, die von langrüsseligen Insekten bestäubt werden. Für als Falter überwinternde und früh im Jahr fliegende Schmetterlinge, wie Zitronenfalter, Kleiner Fuchs, oder Tagpfauenauge, sind die Blüten eine wertvolle Nektarquelle. Auch Bienen und Hummeln profitieren von dem frühen Nektarangebot. Aus den Blüten entwickeln sich leuchtend rote, brennend scharf schmeckende, beerenartige Steinfrüchte mit je einem Samen.

Die attraktiven im zeitigen Frühling erscheinenden Blüten empfahlen den Seidelbast als Zierpflanze. Von den Gärten wurde sie in die Landschaftsgärten und Parks weitergereicht. Heute ist sie noch in Vor- und Ziergärten anzutreffen.

Der Seidelbast ist höchst giftig. Wirkstoffe sind Mezerein in den Samen und Daphnetoxin in der Rinde. Beide sind karzinogen. Trotzdem wurde Seidelbast medizinisch eingesetzt. Die Beeren machten Essig, Deutscher Essig genannt, scharf. Die volkstümliche Bezeichnung „Kellerhals“ nimmt auf das würgende und brennende Gefühl im Hals Bezug, denn das mittelhochdeutsche „Kellen“ bedeutet „quälen“. Seidelbast diente zur Linderung von Kopf- und Zahnschmerzen und sogar als Abführ- und Brechmittel. Seidelbast reizt die Haut, führt zu Blasenbildung und Entzündung und bei längerer Einwirkung zu einem geschwürartigen Zerfall der Haut. Mit Spiritus befeuchtete Baststücke oder mit Honig vermischte Blätter wurden als ziehende Pflaster bei Wunden und Geschwüren eingesetzt.

Oral aufgenommen sind Magen- Darmbeschwerden bis hin zu Nierenschäden die Folge. Zehn bis zwölf Beeren sind für Erwachsene tödlich, für Kinder sehr viel weniger. Tiere sind ebenfalls gefährdet. Die tödliche Dosis liegt bei drei bis fünf Beeren für Schweine und zehn Gramm Rinde für Pferde.

Heute wird Mezereum nur noch homöopathisch bei Hauterkrankungen mit starkem Juckreiz und Nervenschmerzen eingesetzt. Wegen des Risikos von Tumoren werden nur Verdünnungen in Potenzen über D3 verwendet.

Linné gab der Gattung Seidelbast den Namen Daphne. Die hübsche Daphne wurde von Apollon in brennender Leidenschaft verfolgt, was ihr aber überhaupt nicht gefiel. Sie bat daher den Göttervater Zeus, sie in einen Lorbeerbaum zu verwandeln, was dieser auch tat. Als Frühblüher der Aphrodite geweiht, galten Seidelbastextrakte noch lange als Aphrodisiakum. In den Alpen war er ein Mittel zu Abwehr von Hexen. Als Lebensrute Tist schrieb man ihm einen günstigen Einfluss auf die Milchleistung des Viehs zu. Es war Brauch, Kühe mit Seidelbastzweigen auf die Weide zu treiben.

Der deutsche Name Seidelbast geht zurück auf den germanischen Gott Ziolinta-Ziu, den Beherrscher des Götterhimmels, oder ist abgeleitet von Zeidel für Biene wegen der ersten Bienennahrung.

 

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zuletzt bearbeitet am 28.III.2018