3. Aug. 2017

NATURBEOBACHTER AUS DER REGION


Die Blumen der alten Rittersleut – Relikte aus alten Burggärten

Joachim Schmitz

Schon das Capitulare de Villis schrieb im 9. Jhdt. den Kaiserlichen Reichsgütern einen verbindlichen Kanon an Obst-, Nutz- und Heilpflanzen vor. Im Kleinen spiegelte sich das auch in vielen Burggärten wider. Dort war meistens kein Platz für größere Obstgehölze oder flächenhafte Nutzgärten; aber für ein paar Beete mit Küchen- und Heilkräutern, für Zierpflanzen und nach den Vorstellungen der damaligen Zeit magischen Pflanzen fand sich immer ein Winkel.

Manche Art ist dann auch in der Umgebung der Burg verwildert. Selbst wenn von der eigentlichen Burganlage nichts mehr übrig geblieben ist, findet man solche Relikte heute noch.

Ein Beispiel ist der Wermut (Artemisia absinthium). Die aus dem ostmediterranen Raum stammende Pflanze war im Hochmittelalter als Heil- und Gewürzpflanze weit verbreitet. Selbst in der höheren Eifel auf den Hängen um Monschau muss er so häufig kultiviert worden sein, dass daraus die lokale Schnapsspezialität Els entwickelt wurde. Nach der sogenannten Kleinen Eiszeit sind die Bestände drastisch zurückgegangen. In Monschau gibt es heute weder kultivierten noch verwilderten Wermut mehr. Aber an klimatisch viel günstigeren Stellen wie auf mehreren Burgruinen im Ahr- und Mittelrheintal findet man ihn noch.

Der Schild-Ampfer (Rumex scutatus) stammt ursprünglich aus den Alpen und dem Alpenvorland, wo er auf Geröllhalden wächst. Mit dem Weinbau verbreitete sich die Art bis zum Mittelrhein. Ein völlig isolierter Fundort ist die Wildenburg und die benachbarte Burg Reifferscheid bei Hellenthal tief in der Eifel. Unter dem Namen „Französischer Spinat“ wurde die Art auch als Gemüse genutzt sowie unter dem Namen „Herba Acetosa Romana“ in der Naturheilkunde verwendet. Die Annahme liegt nahe, dass der Schild-Ampfer hier früher angebaut wurde.

Ebenfalls aus der Mode gekommen ist die Kultur der Moschus-Erdbeere (Fragaria moschata). Sie ist von den aus amerikanischen Arten gezüchteten großfrüchtigen Sorten verdrängt worden. Ich habe sie einmal nahe des Ahrtals an der Burg Vischel und in Belgien an der Ruine Franchimont bei Spa gefunden.

Der Goldlack (Erysimum cheiri) ist wohl als reine Zierpflanze gehalten worden und häufig in Mauer- und Felsspalten verwildert. Heute gibt es die Art in vielen Blütenfarben; die alte Form blüht gelb bis bräunlich-gelb. Das Gleiche gilt für das Große Löwenmaul (Antirrhinum majus). Die Art findet man in Mauersfugen und Steinschutt im Weinbauklima. Die „Wildform“ wird kaum über 30cm hoch und blüht leuchtendrot.

Besonders merkwürdig ist das Vorkommen der Türkenbund-Lilie (Lilium martagon) an der Nürburg. Das natürliche Areal beginnt erst viel weiter südlich und östlich. Es ist ziemlich wahrscheinlich, dass die Art als Zierpflanze oder für den im Mittelalter obligatorischen Marienwinkel zur Verehrung der Mutter Gottes im Burggarten gehalten wurde. Eigentlich ist die Madonnenlilie (Lilium candidum) die typische Art dafür; die dürfte im rauen Klima der Hocheifel aber kaum zu kultivieren sein. Jedenfalls nimmt man heute an, dass es sich bei dem Türkenbund an der Nürburg um eine Verwilderung aus dem alten Burggarten handelt.

Es gibt heute viele restaurierte Burgen, aber die Rekonstruktion eines Burggartens ist ziemlich selten. In Braubach am Rhein steht die Marksburg, heute Sitz der Deutschen Burgenvereinigung. Hier hat man einen Burggarten angelegt, der aber nur im Rahmen der allgemeinen Führung zu besichtigen ist, wodurch man nur einen sehr flüchtigen Überblick bekommt.

Der Goldlack ist eine uralte Zierpflanze und verwildert leicht in Mauerfugen und Felsspalten.

 

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zuletzt bearbeitet am 16.VIII.2017