7.Juli 2016

NATURBEOBACHTER AUS DER REGION


Ginster-Sommerwurz, ein pflanzlicher Schmarotzer

Joachim Schmitz

 

Der Besenginster (Cytisus scoparius) ist ein Strauch, der auf Brachen, Heiden und Waldschlägen wächst. Die Art kommt nur auf völlig kalkfreien Böden im atlantisch geprägten Klima vor, wie das z.B. in der Eifel gegeben ist. In der Blütezeit im Mai leuchten dann ganze Hänge gelb auf, was zu dem lokalpatriotisch geprägten Beinamen „Eifelgold“ geführt hat. Schaut man aber jetzt noch einmal genau in die Ginsterheiden, kann man manchmal am Fuße der Sträucher seltsame Pflanzen finden. Im Austrieb sehen sie ein bisschen aus wie Spargel, blass und statt Blättern nur kurze, dreieckige Schuppen. Anders als der Spargel, der später ergrünt und ganz normale Sprosse und Blätter bildet, werden sie aber allenfalls gelb oder bräunlich und bilden dann am Ende einen ansehnlichen Blütenstand aus.

Es handelt sich um die Ginster-Sommerwurz (Orobanche rapum-genistae), einem pflanzlichen Parasiten. Die Art macht keine Fotosynthese und braucht deshalb auch kein Blattgrün. Stattdessen saugt sie über spezielle Organe, die Haustorien genannt werden, die Wurzel ihres Wirts an, in diesem Fall die Wurzel eines Besenginsters. Dabei zapft sie sowohl die von den oberen Teilen des Wirts kommenden Zucker führenden Leitungen wie die von den Wurzeln kommenden Leitungen mit gelösten Mineralien an. Pflanzliche Parasiten, die komplett von ihrem Wirt leben, nennt man auch Vollschmarotzer. Halbschmarotzer sind Pflanzen, die noch selber Fotosynthese machen, deshalb auch noch grüne Blätter haben, und von ihrem Wirt nur Wasser und darin gelöste Mineralien beziehen wie z.B. die Mistel.

Aus Zufall einen geeigneten Wirt zu finden, ist ziemlich unwahrscheinlich. Deshalb produzieren Sommerwurze unglaublich viele Samen pro Fruchtkapsel, bis zu 100 000! Das haben sie mit den Orchideen gemein, und es gibt noch eine Parallele: beide haben die kleinsten und leichtesten Samen im Pflanzenreich. Auch Orchideen verhalten sich bei der Keimung parasitisch. Diese müssen unbedingt einen passenden Pilz finden, den sie für die Keimung „anzapfen“ können. Während die meisten Orchideen später autark werden, bleiben die Sommerwurze allerdings zeitlebens auf ihren Wirt angewiesen.

Die Kleinheit der Samen erlaubt ihnen auch, durch feinste Klüfte im Boden zu den Wurzeln ihrer Wirte zu gelangen. Viel einfacher haben sie es natürlich, wenn der Boden durch Erosion oder Viehtritt aufgerissen ist. Deshalb waren auch die durch Schafweide bedingten Heiden und Magerrasen der Eifel relativ reich an Sommerwurz-Arten. Ist ein Samen erst mal im Boden, kann er jahrelang warten. Erst wenn sich die Wurzel einer passenden Wirtspflanze nähert, kann er sie buchstäblich riechen, d.h. er kann die chemischen Stoffe, die die Wurzel einer bestimmten Art in den Boden abgibt, erkennen. Dann erst keimt er, sucht mit seiner Keimwurzel die Verbindung zur Wurzel der Wirtspflanze und baut das Kontaktorgan aus.

Das ist allerdings unterschiedlich spezifisch. Wahrscheinlich liegt es an den chemischen Stoffen, die potentielle Wirtswurzeln abgeben. Sind die in einer Verwandtschaft sehr ähnlich oder gar identisch, reagiert der Sommerwurz-Keimling auf eine große Gruppe verwandter Wirtsarten. Ist das chemische „Duftmuster“ einer Wirtspflanze einmalig, ist auch die Sommerwurz-Art fest an diesen einen Wirt gebunden. Früher hatte man angenommen, dass alle Sommerwurz-Arten streng wirtsspezifisch sind. In ganz alten Floren sollte man die Pflanzen zur Bestimmung ausgraben und schauen, auf welchen Wurzeln sie parasitieren. Das verbietet sich heute schon alleine aus Naturschutzgründen.

Um wieder zum Beispiel zurückzukehren: Die Ginster-Sommerwurz kommt fast nur am Besenginster vor. Aus der Eifel kenne ich jedenfalls keine anderen Wirte. Seltene Vorkommen an verwandten Straucharten kenne ich nur aus der Literatur.

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zuletzt bearbeitet am 12.VII.2016