28.April 2016

NATURBEOBACHTER AUS DER REGION


Walpurgisnacht und Hexenspuk

Karl Josef Strank

Die Nacht vom 30. April auf den 1. Mai wird traditionell mit dem Aufstellen der Maibäume und dem Tanz in den Mai gefeiert. In dieser Walpurgisnacht tanzen aber auch die Hexen auf dem Blocksberg und buhlen mit dem Teufel. Unser Bild von Hexen ist sehr durch die Märchen geprägt und in diesen ist die Hexe meist eine böse, schrumpelige, warzengesichtige und hakennasige Alte. Hexen erfreuen den Teufel und stecken mit ihm unter einer Decke. Goethe schreibt in Faust: „Denn wenn es keine Hexen gäbe, Wer Teufel! möchte Teufel sein!“ Die Vorstellung von Hexen auf das Bild eines alten, bösen Weibes zu reduzieren, wird ihrer Bedeutung aber nicht gerecht. Sie waren in der Tat meist alte weißhaarige Frauen, oft Großmütter, auf deren Weisheit, profundes Wissen und umfassende Lebenserfahrung man gerne zurückgriff. Der Name Hexe kommt von hagezusse, „die in der Hecke sitzt“. Sie war gleichermaßen Zauberin wie Schamanin und als Grenzgängerin vermittelte sie zwischen innen und außen, zwischen unserer Welt und der Welt der Ahnen und Geister. Sie standen im Zentrum der Gesellschaft und genossen bei Kelten und Germanen hohes Ansehen. Die Christianisierung brandmarkte das mythische Weltbild unserer Vorfahren als heidnisch und abergläubig. In der Folge nahm durch gesellschaftliche Ächtung und unerbittliche Verfolgung die Zahl der kundigen Frauen immer weiter ab, ihr Wissen wurde nicht mehr praktiziert und starb allmählich aus.

Ganz verschwunden ist es aber nicht, das belegen schon die vielen Pflanzennamen, in denen das Wort Hexe oder Teufel vorkommt. Als Hexenkraut wird auch Circaea lutetiana bezeichnet. Der Gattungsname bezieht sich auf die Zauberin Circe, die Odysseus auf seiner Heimfahrt nach Ithaka derart bezirzt, sprich bezaubert hat, dass er auf Jahre vergaß, die Heimreise fortzusetzen. Erst als die verhexte Circe seine Gefährten in Schweine verwandelt hatte, wachte er auf, brach den Bann und setzte seine Heimreise fort.

Als Hexenmilch wird auch die kreuzblättrige Wolfsmilch, Euphorbia lathyris, bezeichnet oder das ebenfalls Milchsaft führende Schöllkraut, Chelidonium majus. Der weiße bzw. gelbliche Saft wurde zu allerlei Zauberei verwand. Im Wald kreisförmig angeordnete Pilze, Fruchtkörper eines älteren konzentrisch nach außen wachsenden Pilzgeflechts, wurden mit dem heimlichen Wirken von Hexen assoziiert, die darin ihre Rituale vollziehen. Sie werden noch heute als Hexenringe bezeichnet. Die Mistel, ein zauberkräftiges Kraut, das die Druiden mit einer goldenen Sichel aus den Bäumen schnitten und nach Asterix & Obelix als Hauptingredienz des Zaubertranks verwendeten, wird aufgrund der Wuchsform Hexenbesen oder Hexennest genannt. Die staubfeinen Sporen von Bärlappen, urtümlichen Farnen, werden als Hexenmehl bezeichnet, da sie auch heute noch von Magiern genutzt werden. Sie werden dabei in ein offenes Feuer geblasen und verpuffen mit einer Stichflamme, was einen unerwarteten Effekt wie bei einem Feuerspucker hervorruft. Die meisten Hexenpflanzen finden sich in der Familie der Nachtschattengewächse unter den Solanaceae. Die Kartoffel gehört dazu ebenso wie die Tomate. Als nicht ungefährlich sind die Alraune, das Bilsenkraut, die Tollkirsche und der Tabak einzustufen. Diese enthalten Alkaloide, basisch reagierende Naturstoffe, mit starken, nicht selten halluzinogenen Wirkungen auf den menschlichen Organismus. Zu diesen Hexenpflanzen zählen auch die Christrose, Helleborus, der Eisenhut, Aconitum, der Stechapfel, Datura, und der Fliegenpilz, Amanita muscaria. Noch heute versetzen sich Schamanen der Naturvölker durch den Genuss von Fliegenpilz, aber auch anderer Pilzarten, in Trance, um mit der Ahnen-, Geister- und Anderwelt in Kontakt zu treten. Diese starken Drogen verarbeiteten die Hexen zur sogenannten Flugsalbe, die auf Oberschenkel, Hand- und Fußgelenke gerieben schnell ins Blut überging, zu Rauschzuständen führte und erotische Träume oder das Gefühl des Fliegens hervorrief. Fliegende Hexen werden zwar immer auf dem Besenstiel reitend dargestellt, das funktioniert so aber nicht und ist lediglich eine Metapher für die Praxis des Drogenkonsums mittels der Flugsalbe.

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zuletzt bearbeitet am 17.VII.2016