5.Nov.2015

NATURBEOBACHTER AUS DER REGION


Noch einmal nach Herzenslust schlemmen mit Rotkohl und Gänsebraten

Ruth Gestrich-Schmitz

In den Kindergärten und Schulen werden jetzt wieder fantasievolle Laternen gebastelt. Die Kinder freuen sich auf den Martinszug, das Martinsfeuer, und danach auf Weckmänner, Martinsbrötchen oder –Brezel. Als Brauch zu St. Martin kommt traditionell Gänsebraten, klassisch mit Rotkohl und Serviettenknödeln oder Kartoffelklößen serviert, auf den Tisch. Warum ausgerechnet an diesem Tag Gänse verspeist werden, hat seinen Ursprung unter anderem im Kirchenjahr: Nach dem 11. November beginnt die vorweihnachtliche Fastenzeit, die vom Mittelalter bis in die Neuzeit hinein begangen wurde und in den orthodoxen Kirchen teilweise bis heute praktiziert wird. Vor dieser Fastenzeit konnten die Menschen noch einmal nach Herzenslust schlemmen. Zugleich war der 11. November früher der Tag, an dem die bäuerlichen Pachtzahlungen fällig wurden, die oft in Form von Naturalien wie Gänsen beglichen wurden. An diesem Termin endeten häufig auch Dienstverhältnisse, und zum Abschied erhielten Mägde und Knechte eine Gans als Geschenk.

Als heimisches, Mineralstoff-, Vitamin- und Ballaststoff-reiches Herbst- und Wintergemüse passt der Rotkohl wunderbar zum gehaltvollen Gänsebraten. Als Gewürze werden dem Gemüse gerne Muskat, Gewürznelken, Pimentkörner, Wacholderbeeren und Lorbeerblätter zugegeben. Bereitet man den Rotkohl mit säurehaltigen Zutaten wie Äpfeln, Wein, Orangensaft oder Essig zu, hat das fertige Gemüse eine rote Farbe. In Bayern und Franken wird das Gemüse auch Blaukraut genannt: Zucker oder alkalische Zugaben wie Natron oder Backpulver sorgen für eine bläuliche Färbung. Die Anthocyane, die natürlichen Farbstoffe im Rotkohl, reagieren auf das Säure-Base-Verhältnis mit dieser Farbänderung.

Rotkohl (Brassica oleracea var. capitata f. rubra) aus der Familie der Kreuzblütler gehört zu den Kopfkohlen, die man im Altertum vermutlich noch nicht kannte. Rot- und Weißkohl wurden wohl erst seit dem 11.Jh. nördlich der Alpen kultiviert. Rotkohl ist wie alle kultivierten Kohlsorten in der Regel zweijährig. Im ersten Jahr bildet sich eine stark vergrößerte Endknospe, deren Blätter sich löffelförmig nach innen krümmen und im Spätsommer einen Kopf formen. Wird der Kohl nicht geerntet, „schießt er ins Kraut“ und bildet im zweiten Jahr lockere endständige Trauben mit duftenden, gelben Blüten, die familientypisch vier Kelch- und vier Kronblätter, vier längere und zwei kürzere Staubblätter und zwei Fruchtblätter besitzen und gerne von Bienen als Weide angenommen werden. Aus den Fruchtblättern entwickeln sich lange, schmale, braune Schoten mit über 50 Samen.

Als Inhaltsstoffe sind Senfölglykoside und andere schwefelhaltige Verbindungen für das typische Aroma verantwortlich. Gleichzeitig wirken sie antimikrobiell, krebshemmend und cholesterinsenkend, die Anthocyane antioxidativ. Ein aus den Blättern gewonnener Saft hilft bei Magenleiden.

Kulinarisch hat der Rotkohl einiges zu bieten: Ob mit Äpfeln, Zwiebeln, Maronen oder Backpflaumen, er ist der Klassiker zu herbstlichen und winterlichen Braten. Doch passt er auch prima in die vegetarische Küche als knackiger Salat, beispielsweise mit gerösteten Walnüssen und einem Dressing aus Orangensaft, Balsamico und Walnussöl, gemörserten Fenchelkörnern, Pfeffer und Salz. Und man kann ihn sogar als Zutat für einen vitaminreichen Drink verwenden, mit Banane und Kiwi zu einem violetten Smoothie verarbeiten.

voriger Artikel ← | → nächster Artikel

Auswahl nach Erscheinungsdatum

Auswahl nach Themenstichwort

Startseite

zuletzt bearbeitet am 24.XII.2015