10.Sept.2015

NATURBEOBACHTER AUS DER REGION


Von der Hortensie, ihrer Geschichte und ihrer Ähnlichkeit mit dem Schneeball

Karl Josef Strank

In seinem Buch „Die Tage des Gärtners – Vom Glück, im Freien zu sein“ stellt Jakob Augstein humorvolle wie tiefsinnige Betrachtungen über das Gärtnerdasein an. So schreibt er: „Der Kampf gegen Giersch, Moos und Schnecken ist hart und heroisch. Mähen, Harken und Gießen verlangen Fleiß, Geduld und Ausdauer. Und wenn man sich mit Äxten und Hämmern schmerzhafte Wunden zufügt, muss man die Zähne zusammenbeißen und weitermachen. Keine Frage: Gärtner sein prägt und fordert den ganzen Menschen. Eine Sache des Charakters…“

Und weiter schreibt Augstein...

„Aber das Leben des Gärtners ist eben auch voller Freuden. Vielfältiger Freuden. Die strahlenden Blumen, die prangenden Blätter, die stolzen Stauden, all das ist herrlich anzusehen. In der Nase haben wir den süßen Duft der Rosen und den betörenden Odem des Geraniums. Und in unseren Ohren klingt heiter der Gesang der Vögel, das lustige Quaken der Frösche, ja und auch die stillen Gespräche der Fische. Also, es ist eine Lust, im Garten zu sein. Wem das alles nicht reicht, wer vom Mähen und Harken und Giersch-Rupfen und Schneckentöten mit den Nerven echt am Ende ist, wer die Vögel nicht mehr hören und die Blumen nicht mehr riechen kann – für den gibt es die Hortensie. Eine wunderbare Pflanze mit reicher Vielfalt und langer Geschichte.“

Unter Gärtnern hat die Hortensie zahlreiche Liebhaber gefunden. Sie ist aber kein heimisches Gewächs, sondern als aus Japan stammende Pflanze in Europa bekannt geworden. Ihre Popularität verdankt sie auch der Tatsache, dass Japan sich im 17. Jahrhundert unter den Shogunen der Tokugawa-Dynastie vor der Außenwelt abschottete. Alles, was nach außen drang, erregte große Aufmerksamkeit. 1776 stieß der schwedische Botaniker und Linné-Schüler Carl Peter Thunberg auf die Garten-Hortensien und beschrieb sie in seiner Flora Japonica als Viburnum macrophyllum, wegen der Ähnlichkeit mit dem Schneeball.

Der englische Botaniker Joseph Banks, Mitreisender der Weltumseglung von James Cook, später erster Direktor von Kew Gardens, brachte 1789 eine Hortensie nach London. Dort wurde sie dann systematisch als Hydrangea hortensis identifiziert.

Von Kew aus verbreitete sie sich in andere Länder Europas. Mitte der 1790er Jahre gelangte ein Ableger in den Schlossgarten Pillnitz. Nachweislich war sie dort 1889 noch am Leben und zu einem Busch von 2,5 Metern Höhe und 9,5 Metern Umfang herangewachsen. In Berlin legte der Hofgärtner Fintelmann auf der Pfaueninsel regelrechte Hortensienkulturen an. Dort wurde die Hortensie zur Lieblingsblume der Preußenkönigin Luise, deren Grabstätte im Schlosspark Charlottenburg man nach ihrem frühen Tod mit Hortensien umpflanzte.

Mit Lockfunktion

Heute umfasst die Gattung etwa hundert Arten. Sie sind in Japan, China, im Himalaya, auf den Philippinen, in Indonesien und Nord- und Südamerika verbreitet. Unzählige Sorten wurden ausgelesen.

Im Grundsatz unterscheidet man nach der Form des Blütenstands Tellerhortensien (lacecaps) von Bauernhortensien (mopheads). Erstere haben halbrund gewölbte Blütenköpfe mit kleinen fertilen Blüten im Zentrum und einem Kranz aus großen sterilen Blüten, die den „Schauapparat“ mit Lockfunktion für Bestäuber bilden.

Letztere haben kugelige Blütenköpfe mit großen sterilen Blüten. Die normale Blütenfarbe der Hortensie ist Lila. Man kann sie aber in kräftiges Blau umwandeln, wenn dem Bodensubstrat Eisen- oder Aluminium-Ionen zufügt werden. Dass dieser Farbumschlag künstlich herbeigeführt werden kann, erkannte man schon Ende des 18. Jahrhunderts, was die Attraktivität der Hortensien nochmals steigerte. Aluminiumspender ist Alaun, Kaliumaluminiumsulfat, das durchsichtige gut in Wasser lösliche Kristalle bildet. Die Engländer nennen dieses Präparat bezeichnenderweise „blueing powder“.

Die Hortensie assoziiert zu den Charaktereigenschaften Schönheit, Pracht, Eitelkeit und Ichbezogenheit. Sie symbolisiert Ende und Neuanfang und die Änderung eines Zustands.

Langsam nähern und innehalten

Am Ende seines Essays verrät Augstein seine Lieblingssorte: H. aspera sargentiana, die Samthortensie. Sie ist von solcher Schönheit, „dass ich nur ganz vorsichtig an dieser Pflanze vorübergehe, um sie nicht zu stören, und mich ihr nur langsam nähere, um mich ihr nicht aufzudrängen. Und dann beuge ich mich sacht über sie und halte inne“.

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zuletzt bearbeitet am 15.X.2015