20.Aug.2015

NATURBEOBACHTER AUS DER REGION


Mäuse: Im Schlepptau des Menschen erobern sie die letzten Winkel der Erde

Karl Josef Strank

In diesen Tagen sieht man auf den Feldern, wenn der Weizen gemäht ist und zwischen den Stoppeln der Boden wieder sichtbar wird, oft einen oder mehrere Graureiher in Ruhe verharren, als würden sie im Teich nach Fischen Ausschau halten. Ihre Jagdtechnik bleibt die gleiche, nur sind es keine Fische, denen sie nachstellen, sondern Feldmäuse. Diese sind jetzt auf den Feldern in großer Zahl vorhanden und leicht zu erbeuten.

Mir ist aus meinen Kindertagen noch ein anderes Bild in Erinnerung geblieben. Nach dem Einbringen der Getreidegarben wurde in den 60er Jahren häufig noch auf den Höfen gedroschen. Riesige Kästen von Dreschmaschinen wurden dazu, angetrieben von Traktoren mit Schwungrad und Transmissionsriemen, in Gang gesetzt. Ich sehe noch heute lebhaft vor Augen, als bei einer solchen Gelegenheit Scharen von Mäusen aus dem Dreschkasten stieben und über den Hof hüpften. Wo es Menschen gibt, gibt es auch Mäuse – und Ratten. Beide sind Kulturfolger und schlossen sich den Menschen schon vor langer Zeit an. Wahrscheinlich geschah das vor sieben- bis achttausend Jahren, als die Menschen im vorderen Orient sesshaft wurden und die ersten Getreidespeicher und Vorratskammern anlegten.

Aus den warmen Klimazonen

Mäuse stammen aus den warmen Klimazonen der alten Welt, haben heute aber im Schlepptau des Menschen auch die letzten Winkel der Welt erobert. Und es könnte tatsächlich wahr werden, was das Sprichwort besagt: Ist der Herr nicht im Haus, tanzen die Mäuse über Tische und Bänke!

Mäuse (und Ratten) sind sehr erfolgreich. Und dafür gibt es Gründe. Betrachten wir im Folgenden die Mäuse, so gibt es verschiedene Arten, die bei uns heimisch sind. Feldmaus und Erdmaus (auch als Scher- oder Wühlmaus bekannt) zeichnen sich durch eine gedrungene Körperform kurze Ohren und kurze Schwänze aus. Sie ernähren sich überwiegend von pflanzlicher Kost und haben nur einen geringen Anteil tierischer Beikost.

Gelbhals- und Waldmaus sind schlanker, haben lange Ohren und Schwänze und nehmen weniger pflanzliche, dafür aber mehr tierische Beikost zu sich. Das Endglied dieser Vergleichsreihe bildet die graue Hausmaus, die sich praktisch in Anpassung an den menschlichen Speiseplan zum Allesfresser gemausert hat.

Zoologisch sind Mäuse Nagetiere, die sich durch die gebogenen, messerscharfen, immer wieder nachwachsenden, beiden vorderen Schneidezähne auszeichnen. Wesentlicher Erfolgsfaktor der Mäuse ist aber ihr Vermehrungsverhalten. Ein Weibchen bringt nach einer Tragezeit von drei Wochen vier bis zwölf Junge zur Welt. Diese sind nackt und blind und werden eine Woche lang gesäugt. Nach einer weiteren Woche sind sie erwachsen und können sich selbst fortpflanzen.

Kräftige Weibchen können bis zu sieben Würfe hintereinander haben. Die explosionsartige Vermehrung führt bei günstigen Randbedingungen regelmäßig zu enormen Mäuseplagen. Mittelalterliche Chroniken berichteten häufig davon und dem verzweifelten Kampf gegen diese Heimsuchungen. Heerscharen von Mäusen plünderten und verdarben die Vorräte. Hungersnöte als Folge ließ die Menschen extrem leiden und sterben.

Mäuse (insbesondere Ratten) mögen manchem als Ekeltiere Schauder über den Rücken treiben. Das ändert aber nichts an der Tatsache, dass sie im Ökosystem eine wichtige Rolle innehaben. Von einem guten Bestand an Feldmäusen profitiert nicht nur der Mäusebussard und das Mauswiesel, der kleine Bruder des Wiesels oder Hermelins, die ihre Hauptbeute schon im Namen tragen, sondern ebenso Eulen, Storch und Graureiher und Raubwürger. Katzen sehen wir im Hauptberuf als Mäusejäger an. Aber Fuchs, Dachs, Marder Iltis und Igel ernähren sich auch zu einem nicht unerheblichen Teil von Mäusen.

Für das Ökosystem und das Labor

Als Verwerter von Kadavern lebt der Aaskäfer von ihnen und damit sind noch nicht alle Tiere genannt, die gelegentlich eine Maus nicht verschmähen. Die zentrale Stellung im Nahrungsnetz macht Mäuse zu einer Schlüsselart im Gefüge der Natur, deren Vorkommen oder Rückgang Ökosysteme stabilisieren oder zusammenbrechen lassen kann.

Eine ganz andere Karriere haben Mäuse (wie auch Ratten) in der Albino-Variante als Versuchstiere im Labor gemacht. Intelligente Testverfahren lassen hier den „Verbrauch“ (zynische Wortwahl) sinken und hoffentlich künftig vollständig ersetzen.

voriger Artikel ← | → nächster Artikel

Auswahl nach Erscheinungsdatum

Auswahl nach Themenstichwort

Startseite

zuletzt bearbeitet am 12.IX.2015