11.Juni 2015

NATURBEOBACHTER AUS DER REGION


Gift im Garten: Der Eisenhut ist eine trügerische Schönheit

N.N.

Er ist eine ziemlich außergewöhnliche Erscheinung, der Blaue Eisenhut (Aconitum napellus) aus der Familie der Hahnenfußgewächse, mit seinen auffällig blauen, helmartigen Blüten und den schönen, gefingerten Blättern in saftigem Grün. Ob an seinem natürlichen Standort im lichten Wald, auf feuchten Wiesen, an Bachläufen oder im heimischen Garten, der Eisenhut macht überall eine gute Figur. Sein Hauptverbreitungsgebiet liegt in den Mittelgebirgen Westdeutschlands und im Voralpengebiet. In der Eifel ist er gar nicht selten anzutreffen und die Populationen sind einigermaßen stabil.

Aber die Schönheit trügt: Der Eisenhut ist die giftigste Pflanze in unseren Breiten. Schon 0,2 Gramm der Wurzel können zu Vergiftungen führen, 2 Gramm sind tödlich, was in früheren Zeiten gerne für Giftmorde ausgenutzt wurde. Heutzutage lässt sich Mord durch Gifte aller Art übrigens kaum vertuschen, was seine Attraktivität für hauptberufliche Erben und kriminelle Konkurrenten glücklicherweise deutlich geschmälert hat. Nicht nur die Wurzel, sondern alle Teile des Eisenhuts sind hochgiftig und beim Umgang mit ihnen sind Handschuhe ratsam. Wer Aconitum in seinem Garten hält, sollte unbedingt auf den Anbau von Topanimbur verzichten, denn die Wurzelknollen dieses inulinreichen, gesunden Gemüses gleichen denen des Eisenhuts sehr. Verwechslungen sind zwar selten, kommen aber immer wieder einmal vor und sind dann häufig tödlich. Das für die Wirkung verantwortliche Alkaloid Aconitin gilt als einer der giftigsten Stoffe der pflanzlichen Welt, nur das Ricin aus dem Samen des Rizinusstrauchs ist noch gefährlicher. Bereits 5 Milligramm Aconitin sind tödlich (zum Vergleich: die letale Dosis von Strichnin aus der Brechnuss oder von Scopolamin aus dem Schwarzen Bilsenkraut liegt bei jeweils etwa 50 Milligramm). Die Vergiftungssymptome sind Herzrhythmusstörungen, ausgelöst durch eine gestörte Reizleitung, gefolgt von Lähmungserscheinungen (Atmung) und dem finalen Herzstillstand. In der Medizin findet Aconitin keine Verwendung mehr, abgesehen von der Homöopathie, da seine therapeutische Breite sehr gering ist, d. h. zwischen erwünschter Wirkung und toxischer Nebenwirkung ist nur ein geringer therapeutischer Dosisbereich möglich. Übrigens kann man gar nicht oft genug betonen, dass die giftigsten bekannten Stoffe nicht aus den Labors der Chemiker, sondern aus der Natur stammen. Das Risiko wird oft vollkommen falsch eingeschätzt.

Der Eisenhut ist natürlich nicht aus Bosheit giftig, sondern um sich vor Fraßfeinden zu schützen. Er wird von Wild gemieden, Schnecken und fast alle Insekten verschmähen ihn, weshalb er auch in freier Natur meist aussieht, wie aus dem Ei gepellt. In Schlesien nennt man den Eisenhut bezeichnenderweise "Ziegentod" oder "Würgling", allerdings kommt hier nur der sehr ähnliche, Bunte Eisenhut (A. variegatum) vor. In Deutschland haben sieben Eisenhüte Artenstatus, wobei der häufigste, der Gelbe Eisenhut (A. lycoctonum) sogar einmal in der Region Aachen heimisch war. Zwar gelten die Eisenhüte insgesamt nicht als gefährdet, aber das teilweise sehr kleine Verbreitungsgebiet einiger Arten und Sippen könnte zu einer Neubewertung durch die anstehende Aktualisierung der Roten Liste führen. Alle Eisenhüte sind übrigens gleichermaßen giftig.

Aber bevor jetzt die Gärtner ausschwärmen und ihre schönen Eisenhüte kompostieren, möchte ich das Gesagte gleich etwas relativieren. Trotz seiner Giftigkeit sind tödliche Zwischenfälle mit Aconitum seltener als Lottogewinne. Spielen Sie also lieber in der Klassenlotterie als ihre Eisenhüte auszurotten und sind einfach nur etwas aufmerksam beim Ungang mit dieser attraktiven Spezies. Die häufigsten, und damit wirklich gefährlichen Vergiftungen mit Pflanzen kommen aus einer ganz anderen, unerwarteten Richtung: Tabak. Schon der Verzehr einer einzigen Zigarrette kann für ein Kleinkind lebensbedrohlich werden. Wenn Sie also Risiken wirksam verringern wollen, dann hören Sie lieber auf zu rauchen und lassen den Eisenhut im Garten schön weiter blühen.

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zuletzt bearbeitet am 14.VII.2015