19.Juni 2014

NATURBEOBACHTER AUS DER REGION


Sommersonnenwende und Johannistag: das Sonnenjahr auf dem Höhepunkt

Karl Josef Strank

In wenigen Tagen feiern wir den Mittsommer und das Sonnenjahr ist auf dem Höhepunkt. Der Frühling ist endgültig vorüber und der Sommer mit Hitze und Schwüle zieht ein. Die Pflanzen schießen ins Kraut und wachsen, dass man förmlich zusehen kann. In den nördlichen Breiten wird dieser längste Tag des Jahres ausgiebig gefeiert. In Schweden ist Midsommar das zweitgrößte Fest des Jahres nach Weihnachten und in den baltischen Staaten heißen diese Nächte, in denen die Sonne kaum untergeht, die magischen Nächte. Dennoch wird in diesen Tagen der Höhepunkt des Jahres überschritten und keiner registriert dies sensibler als Pflanzen und Tiere.

Waren die Bienen noch vor kurzem in der Stimmung Weiselzellen anzulegen und neue Königinnen heranzuziehen, und hatten die jungen geschlüpften Königinnen nichts Eiligeres zu tun als auszufliegen, sich von den Drohnen begatten zu lassen, um anschließend mit einem Teil des Volkes auszuschwärmen und neue Brutkolonien zu gründen, so lässt dieser Schwarmtrieb, der den Imkern arbeitsreiche Tage bringt, schlagartig nach, wenn die Tage wieder kürzer werden. Der magische Stichtag, um den herum diese Umstellung passiert, ist der 24. Juni, der Johannistag.

Sommersonnenwende und Johannistag stehen brauchtumsbezogen in enger Beziehung. Die Menschen feiern diese Tage mit frohgestimmten Festen. In der Johannisnacht vom 23. auf den 24. Juni entzünden sie das Johannis- oder Würzfeuer und verbringen die ganze Nacht tanzend zur Symbolik von Feuer, Sonne und Sonnenwende. Religiös verweisen Johannistag / Sommersonnenwende mit dem längsten Tag des Jahres auf die Geburt des Herrn, Weihnacht / Wintersonnenwende und den kürzesten Tag des Jahres. Mit dem 25. März, Mariä Verkündigung, neun Monate vor Weihnachten, ist der Kreis geschlossen und die römische Kirche feiert einzig die Geburtstage der Gottesmutter Maria, Johannes des Täufers und Jesus Christus als Hochfeste, während bei allen anderen Heiligen meist deren Todestage gefeiert werden.

Das Johanniskraut trägt seinen Namen, weil es meist um den Johannistag blüht. Die Johannisbeere erreicht in diesen Tage ihre Fruchtreife und Schwärme von Johanniskäfern (Glühwürmchen) versprühen ihre Leuchtkraft in den Nächten um den Johannistag. Als Johannisnüsse werden grüne, unreife Walnüsse bezeichnet, die zu Sommerbeginn geerntet werden.

In der volkstümlichen Erfahrung und Überlieferung ist Johanni ein wichtiger Lostag. Das ist ein wichtiger Merktag, aus dessen Wetter man auf die Witterung der folgenden Zeit oder die zu erwartende Ernte schließt. Lostage sind von zentraler Bedeutung für Landwirtschaft und Wetter. So beendet Johanni meist die Schafskälte, einen häufigen Kälteeinbruch Anfang Juni, und leitet die Erntesaison ein. Ein Merkspruch lautet: „Wenn die Johanniswürmer glänzen, darfst du richten Deine Sensen.“

Die Gräser sind aufgewachsen und reif und so markiert der Johannistag auch in klimatisch ungünstigen Regionen wie an den Küsten Norddeutschlands oder in den Alpen den spätesten Termin für die Heuernte, die ja in der Regel in unserer Region schon ab Mitte Mai einsetzt. Die Sommergetreide und viele Nutzpflanzen der Gärten treten jetzt in ihre Reifungsphase ein. Für einige ist es aber auch vorbei. Eine alte Regel besagt: „Kirschen rot, Spargel tot.“ In vielen Spargelgegenden Deutschlands wird mit Erreichen des Johannistages der letzte Spargel der Saison gestochen. Traditionell gilt das gleiche für Rhabarber. Beide Pflanzen brauchen den Rest des Jahres Ruhe, um ihre Sprosssysteme zu regenerieren und winterfest zu machen, damit es auch im nächsten Jahr wieder Spargel und Rhabarber zu ernten gibt.

Bekannt sein dürfte der Begriff „Johannistrieb“, worunter der zweite Austrieb des Jahres bei Gehölzen verstanden wird. Diesen kann man bewusst nutzen, wenn der erste Schnitt von Zier- und Gartenhecken vor Johannis erfolgt. Dann treiben sie im Rest des Jahres noch einmal durch und werden so dichter und schöner. Das gilt auch für Eiben. Sollten sie diese jetzt schneiden, so lassen sie den Schnitt kostenlos von der Firma Botanika in Simmerath abholen, denn so tragen sie dazu bei, dass aus dem Schnittgut Taxol, ein Grundstoff in der Krebstherapie, gewonnen werden kann. Nähere Informationen hierzu gibt es im Internet unter: www.botanika-center.de.

Mit Spott und Ironie spricht der Volksmund auch von „Johannistrieb“, wenn ein älterer Mann eine junge Frau nimmt oder umgekehrt (konsequenterweise müsste dies dann „Johannatrieb“ heißen) und den „zweiten Frühling“ erlebt.

 

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zuletzt bearbeitet am 3.VII.2014