6.Juni 2013

NATURBEOBACHTER AUS DER REGION


In Kaiser Karls Garten: Zwiebeln und Lauch aus der Gattung Allium

Ruth Gestrich-Schmitz

In der Pflanzenliste des 70. Kapitels des Capitulare de villis Karls des Großen sind unter Heil-, Gewürzkräutern und Gemüse sechs Lauch- und Zwiebelsorten der Gattung Allium aufgelistet: uniones (Winterheckzwiebel bzw. Bärlauch), britlas (Schnittlauch), porros (Breitlauch/Porree), ascalonias (Schalotte), cepas (Küchenzwiebel) und alia (Knoblauch) aus der Familie der Zwiebelgewächse (Alliaceae). Die Vielzahl der hier genannten Lauch- und Zwiebelsorten weist auf die Bedeutung dieser Pflanzen sowohl für die Gesundheit als auch für die Ernährung der Menschen im Mittelalter hin.

Archäobotanische Funde belegen, dass Pflanzen der Gattung Allium schon in der Steinzeit genutzt wurden: In Kochgruben in Dänemark fand man verkohlte Bärlauchzwiebeln. In Ägypten galt die Küchenzwiebel als Volksnahrungsmittel und zählte zu den beliebtesten Gemüsen. Die Ägypter gaben den Toten ganze Bündel mit in die Gräber und wickelten sie als Opfergaben mitunter auch in die Binden der Mumien. Durch die geringe Luftfeuchtigkeit in den Gräbern sind die Zwiebeln bisweilen in getrockneter (mumifizierter) Form überliefert. Auch mumifizierte Knoblauchzehen fand man in Gräbern wie in dem des Tutanchamun. Knoblauch und Zwiebeln werden seit 5000 Jahren arzneilich genutzt. So berichtet Herodot, dass die Arbeiter an der Cheops-Pyramide Knoblauch, Zwiebeln und Rettich zur Erhaltung ihrer Gesundheit und Leistungsfähigkeit zu essen bekamen. Die Römer legten für den Anbau von Zwiebeln und Knoblauch eigene Gärten, sogenannte cepinae, an und stellten hierfür Gärtner (ceparii) ein. Dem Vesuv-Ausbruch im Jahr 79 n.Chr. verdanken wir die Erhaltung von verkohlten Zwiebeln in den mit der heißen Asche verschütteten römischen Städten Pompeji und Herculaneum. Die Römer brachten Zwiebeln und Knoblauchzehen als Proviant in die germanischen Provinzen mit, worauf Funde im Römerlager Neuss hinweisen.

     

Bis heute sind Lauch- und Zwiebelpflanzen unentbehrlich für die Zubereitung von Speisen und für die Medizin: Sie enthalten Vitamine, Mineralstoffe und als Wirkstoffe vor allem Schwefel-haltige Lauchöle, die antibiotische, insektizide, wurmabtötende, verdauungsfördernde und broncholytische Eigenschaften besitzen. Diese Substanzen werden erst beim Zerstören der Pflanzenzellen aus Vorstufen gebildet. Knoblauch und Bärlauch sind wertvolle Gewürze, die bei Magen-Darm-Störungen, zur Vorbeugung und Behandlung von Alterungsprozessen der Blutgefäße (Arteriosklerose), zur Senkung des Cholesterinspiegels sowie zur unterstützenden Behandlung von Bluthochdruck, Schlafstörungen, Schwächezuständen und Leistungsminderung eingesetzt werden. Sie sollen helfen, Wohlbefinden und Leistungsfähigkeit bis ins hohe Alter zu erhalten. Die Küchenzwiebel wird als Hausmittel erfolgreich zum Schleimlösen bei Erkältungskrankheiten, als Zwiebelsäckchen bei Ohrenschmerzen, zur Linderung von Insektenstichen und zur Appetitsteigerung verwendet. Schnittlauch, Porree und Schalotten werden vor allem in der Küche genutzt. Die Winterheckzwiebel ist bei uns kaum bekannt, eher in ihren Herkunftsländern China und Japan. In schwäbischen Bauerngärten wird sie als Rabatteneinfassung gepflanzt und als Küchenkraut genutzt. Sie ist winterhart und mehrjährig. Die grünen Schlotten, ihre dunkelgrünen, bis fünfzig Zentimeter hohen, röhrenförmigen Blätter, können ganzjährig geerntet und als Gemüse oder wie Schnittlauch verwendet werden.

Nahrung für das Volk

Trotz ihrer Vorteile für die Gesundheit waren gerade Küchenzwiebel und Knoblauch wegen ihres intensiven Geruchs bei vornehmen Leuten verpönt und vor allem Nahrung für das Volk. Das Wort „Zwiebelesser“ hatte bald den Charakter eines Schimpfwortes. Über nachhaltigen Zwiebelgeruch und die Reizung der Augen beim Zwiebelschneiden schrieb Goethe: „ O, mir sind auch gar oft die Augen übergegangen, und täglich ist mirs noch, als röch ich Zwiebeln.“

Eduard Möricke inspirierte die wohl unangenehme Übernachtung in einer Kammer, in der Zwiebeln gelagert wurden, zu dem Gedicht „Zwiebelkuchen“. Darin nimmt er Bezug auf Samuel Hahnemann, Arzt und Begründer der Homöopathie, der in jener Zeit die These aufgestellt hatte, dass „Ähnliches mit Ähnlichem zu heilen sei“:

„Ganz richtig hört‘ ich sagen, dass, wer in Zwiebeln schlief, hinunter wird‘ getragen in Träume schwer und tief; dem Wachen selbst geblieben sei irren Wahnes Spur: Die Nahen und die Lieben hielt er für Zwiebeln nur. Und gegen dieses Übel, das gar nicht angenehm, hilft selber nur die Zwiebel nach Hahnemanns System. Das lasst uns gleich versuchen! Gott gebe, dass es glückt! – Und schafft mir Zwiebelkuchen! Sonst werd‘ ich noch verrückt.“

 

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zuletzt bearbeitet am 22.VII.2013