6.Okt.2011

NATURBEOBACHTER AUS DER REGION


Selten: In der Region Urft wächst die „schöne Else“ gut und gerne.

Ruth Gestrich-Schmitz

Kürzlich bei einem Spaziergang am Schalkenmehrener Maar leuchteten im Herbstsonnenlicht die roten Fruchtdolden der Eberesche( Sorbus aucuparia), besser bekannt unter dem volkstümlichen Namen Vogelbeere. Ebereschen sieht man sehr häufig, ihre Verwandten, die Elsbeere und den Speierling, die alle zu den Rosengewächsen gehören, nur noch selten. Man findet die Elsbeere (Sorbus torminalis), Baum des Jahres 2011, in unserer Region in der Gegend um Urft, auf dem Weg zur Stolzenburg. Der kalkhaltige Boden bietet hier der wärmeliebenden „schönen Else“ angenehme Wachstumsbedingungen.

In sonnigen Lagen wachsen Elsbeeren zu stattlichen, 15–25 m hohen Bäumen heran, die bis zu 200 Jahre alt werden können. Bis vor einigen Jahren beheimatete auch der Von-Halfern-Park an der Lütticher Straße in Aachen eine Elsbeere. Eine schönbelaubte Krone und viele Früchte bildet die lichtliebende Elsbeere dann aus, wenn sie solitär steht. Gerade jetzt im Herbst tragen ihre Blätter, die denen des Ahorns ähnlich sehen, eine traumhaft rot bis orange Färbung. Die reifen brauen Früchte mit ihren kleinen hellen Punkten sind begehrtes Ausgangsmaterial für erlesene Delikatessen: So wird im westlichen Wienerwald, auch ElsbeerReich genannt, der Adlitzbeerbrand hergestellt. Dabei sind die Ernte und die Aufbereitung der Früchte sehr arbeitsaufwändig und die Ausbeute nicht sehr groß. 25 bis 30 kg Früchte sind nötig, um einen Liter dieses Edelbrandes, der den Gaumen mit einem feinen Mandel-Marzipan-Aroma verwöhnt, gewinnen zu können. Da verwundert es nicht, dass auch erlesene Preise dafür bezahlt werden: zwischen 200 und 300 Euro pro Liter. Daneben werden auch Elsbeer-Likör, -Marmelade, -Honig, -Schokolade und –Pralinen angeboten.

Bereits die Römer wussten die Früchte zu genießen. Sie legten sie in Wein ein oder aßen sie getrocknet. Wegen ihres hohen Gerbstoffgehalts wurden die Früchte als Heilmittel gegen Ruhr und Durchfall genutzt, worauf auch der Artname Bezug nimmt, denn lateinisch „tormina“ bedeutet „Bauchschmerzen“. Den Namen Elsbeere soll Martin Luther, der die Elsbeere und die Heilwirkung ihrer Früchte kannte, erstmals verwendet haben.

Den hohen Vitamin C–Gehalt der Früchte nutzt eine hiesige Kosmetikfirma im Zusammenspiel mit Wasser aus Aachener Thermalquellen und einem vulkanischen Konzentrat aus den Eifelmaaren in Körperpflegeprodukten als Waffe gegen Cellulite. Dafür wurde in der Eifel eigens eine Elsbeer–Plantage angelegt.

Aachen, Neuss, Köln …
Das hochwertige Holz der Elsbeere gehört zu den am teuersten gehandelten Holzarten in Mitteleuropa. Es eignet sich hervorragend für den Bau von Musikinstrumenten und edlen Möbeln.

Eine mit der Elsbeere eng verwandte Sorbus-Art, der Speierling (Sorbus domestica) – auch Sperberbaum oder Schmerbirne genannt – war bereits 1993 wegen seiner Seltenheit und Bestandsgefährdung zum Baum des Jahres gekürt worden. Wegen seiner gefiederten Blätter sieht der Speierling der nah verwandten Eberesche sehr ähnlich. Im Capitulare de villis Karls des Großen ist er in der Pflanzenliste mit dem Namen „sorbarios“ aufgeführt und gehört zum Karlsgarten in Aachen-Melaten.

Die Römer brachten den Speierling mit ins Rheinland: Nachweise von Samen gibt es aus einer spätmittelalterlichen Latrine in Neuss, aus Köln und aus der Nähe von Xanten. Wegen der birnen- bis apfelförmigen Früchte wurden die Wildformen des Speierlings am Haus gehalten und domestiziert, was sich im Artnamen „domestica“ ausdrückt. Essbar sind die Früchte in überreifem Zustand, wenn sie eine teigige Konsistenz haben. Wie bei der Elsbeere galten und gelten die Früchte des Speierlings als Hausmittel bei Magen- und Darmerkrankungen, wie bereits Dioskorides berichtet: „Die dottergelbe Sporbieren/ Zu Latein Sorba genennt/werden vor ihrer Zeytigung zu Stücken zerschnitten/unnd in der Sonnen gedörrt/unnd zur Stopffung des Stulgangs genossen.“ Heute setzt man gerne Apfelweinen Speierlings-Most zu, neben der Geschmacksverbesserung vor allem wegen der antibakteriellen und konservierenden Eigenschaften der darin enthaltenen phenolischen Bitterstoffe.

Aus Sicht der keltischen Druiden waren die Sorbus-Arten Elsbeere, Speierling und Vogelbeere mythische Glücksbringer: Sie pflanzten sie um ihre Opfersteine und Kultstätten, damit sie Fluch und Unglück fernhielten. Ebenso erhofften sich die Germanen, die sie dem Gott Thor weihten, von ihnen Glück.

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zuletzt bearbeitet am 18.XI.2011