16.Juni 2011

NATURBEOBACHTER AUS DER REGION


Nach den Narzissen blüht die Bärwurz und bringt einen weißen Schleier

Ruth Gestrich-Schmitz

Im April sind die blühenden Narzissenwiesen ein beliebtes Ausflugsziel im Perlenbach- und Fuhrtsbachtal und entlang der Olef. Wenigen ist jedoch bekannt, dass kurze Zeit später, Ende Mai bis Ende Juni, diese Wiesen von einem Schleier weiß blühender Bärwurz ( Meum athamanticum) überzogen werden. Hier, im und am Rande des Nationalparks Eifel, ist ihr nördlichster Standort in Deutschland. Beim Spaziergang von Monschau-Höfen auf dem Wanderweg Nr. 71 hinunter ins Fuhrtsbachtal geht es zunächst vorbei an bunt blühenden Blumenwiesen. Dann zeigen sich am Wegesrand die ersten Bärwurz-Pflanzen, die im weiteren Verlauf rechts und links des Weges ganze Wiesen mit ihren Blüten zieren. Bis durch den Wald hinunter ins Fuhrtsbachtal, wo neben der Bärwurz auch der rosa blühende Schlangenknöterich wächst.

Hier eher selten
Die Bärwurz benötigt magere, kalk-, stickstoff- und salzarme Lehm-Böden sowie dauernd hohe Luftfeuchtigkeit. Deshalb kommt sie in Deutschland nur in Mittelgebirgen ab einer Höhe von etwa 400m vor, hauptsächlich in Süddeutschland. Überregional ist sie ein charakteristisches Gewächs europäischer Gebirgswiesen bis in Lagen von ca. 2200m Höhe. Wahrscheinlich wurden die Bachtäler im heutigen Nationalpark Eifel schon im 12. Jahrhundert als Wiesen genutzt, um Heu für das Vieh im Winter zu machen. Im Laufe der Zeit wurden die Wiesen jedoch mit Fichten aufgeforstet mit der Folge, dass Narzissen und Bärwurz verschwanden. Durch ein Renaturierungsprojekt wurde in den 1980er Jahren die ursprüngliche Landschaft wieder hergestellt. Um eine Verbuschung zu verhindern und die artenreichen Bärwurzwiesen zu erhalten, werden sie im Rahmen des Kulturlandschaftsprogramms des ehemaligen Kreises Aachen und des Kreises Euskirchen von Landwirten extensiv bewirtschaftet, d.h. sie werden nicht gedüngt und erst ab dem 15.7. eines Jahres gemäht.

Die Bärwurz ist ein typisches Doldengewächs (Familie der Apiaceae) mit einem Blütenstand aus Dolden erster und zweiter Ordnung und dillähnlichen fein gefiederten Blättern, deren Einzelfiedern in haarfeinen, nur 0,2 mm breiten, Zipfeln enden. Die Blätter fühlen sich an wie ein weiches, molliges Fell, wenn man sie durch die Hände streift. Die 20 – 60 cm hohe Pflanze trägt von Mai bis August kleine weiße Blüten mit einem Durchmesser von etwa drei Millimetern, aus denen sich sieben Millimeter lange, kantig gerippte Früchte entwickeln. Das Haupterkennungsmerkmal der Bärwurz aber ist ihr intensiver würziger Geruch, der an Fenchel erinnert, und der allen Teilen der Pflanze entströmt.

Der deutsche Name Bärwurz, regional auch Bärmutterkraut oder Mutterwurz genannt, könnte angelehnt sein an die frühere Verwendung der Pflanze in der Gynäkologie: In mittelalterlichen Schriften ist z.B. von „Bärmutter“ die Rede, und Tabernaemontanus sowie Dioskorides empfehlen ein Bad mit Bärwurz-Kraut bzw. -Wurzel zur Förderung der Menstruation. Eine andere Deutung geht darauf zurück, dass Albertus Magnus die Wurzel als Bärenwurzel (radix ursi) bezeichnet hat wegen der Ähnlichkeit zwischen einem Bärenfell und den zottig aussehenden Blattresten an den getrockneten Wurzeln. Nördlich der Alpen wurde die Bärwurz möglicherweise von Bauern als Heilmittel entdeckt: Bärwurz wird zwar frisch von Weidetieren gemieden, in getrocknetem Zustand aber gerne gefressen. Zunächst wurde die Wurzel wohl von Hirten gegen Blähungen bei Kühen eingesetzt, später auch in Form von Aufgüssen von den Bauern selbst als Heilmittel gegen Verdauungsstörungen eingenommen. Hildegard von Bingen empfiehlt die zu Pulver zerstoßene Wurzel der Bärwurz gegen Fieber, Gicht und Gelbsucht.

Vielseitig verwendbar
Die Wurzel (Radix Mei) enthält ca. 0,7 Prozent ätherisches Öl, Ligustilid, Monoterpene und verschiedene Kaffeesäurederivate. Medizinisch wird sie allgemein zur Verdauungsförderung und Appetitanregung eingesetzt. Andere Anwendungsgebiete waren früher Nierenleiden, Blasenerkrankungen, Vergiftungen und Verschleimungen der Lunge. Für homöopathische Medikamente gegen Herzschwäche und Fieber wird die frische Wurzel verwendet. Auch eine aphrodisierende Wirkung wird der Bärwurz nachgesagt.

In Kochbüchern findet man die Bärwurz eher selten: Die Blätter als Zutat für die Köpernikelsuppe im Erzgebirge und im Kräuterquark. Online gibt es heute manche Anregung, wie man Bärwurz in der Küche einsetzen kann: z.B. Bärwurz-Suppe mit Parmesan-Croutons, Bärwurz-Omelette, mit Bärwurz-Blättern gefüllte Forelle oder in dünne Scheiben geschnittene, gedünstete Bärwurz-Wurzeln als Gemüse.

Bekannt ist die Bärwurz heutzutage vor allem durch den gleichnamigen traditionellen klaren Wurzelschnaps aus dem Bayerischen Wald, der als Digestiv nach einem reichhaltigen Essen eine wohltuende Wirkung auf Magen und Darm ausübt.

Im Karlsgarten in Aachen-Melaten ist die Bärwurz auch vertreten: Denn im Capitulare de villis Karls des Großen ist unter der Nr. 22 eine mit „ameum“ bezeichnete Pflanze aufgelistet. Dieser Name könnte sich auf die bereits antiken Autoren bekannte Bärwurz (Meum athamanticum) beziehen.

voriger Artikel ← | → nächster Artikel

Auswahl nach Erscheinungsdatum

Auswahl nach Themenstichwort

Startseite

zuletzt bearbeitet am 8.VIII.2011