6.Jan.2011

NATURBEOBACHTER AUS DER REGION


Fringsen und Co.: Wie Menschen Nahrungsvorräte für den Winter sammeln und lagern.

Karl Josef Strank

Nur Wenige können noch aus eigenem Erleben über den Nachkriegs-Hungerwinter von 1946/47 berichten. Die Nahrung war damals vor allem in den Städten so knapp, dass etliche Menschen verhungerten, wenn sie nicht aus Mangel an Heizmaterialien erfroren. Überlebenswichtig war es, Lebensmittel und Brennmaterial zum Heizen zu organisieren, was nicht immer hundertprozentig im Rahmen der Legalität möglich war, aber, wenn es dem nackten Überleben diente, vom damaligen Kölner Erzbischof und späteren Kardinal gebilligt wurde und seither als „fringsen“ bezeichnet wird. Heute kann man sich diese Not kaum noch vorstellen. Billige Lebensmittel gibt es im Discounter und fast alle Grundnahrungsmittel, Obst und Gemüse sind unabhängig von der Saison zu jeder Jahreszeit zu haben. Das war nicht immer so, und die Sorge der Menschen galt der Beschaffung von geeigneten Vorräten für den Winter. Wer den Sommer über und vor allem im Herbst vorgesorgt hatte, kam gut durch den Winter.

Das Hauptproblem in früheren Zeiten war häufig, dass frische Nahrungsmittel wie Obst und Gemüse sehr schnell verdarben und, wenn ein langer Winter folgte, die Menschen zwar überlebten, aber im Frühjahr oft an Vitaminmangel litten, der sich unter Umständen bis zum Skorbut auswachsen konnte. Zahnfleischbluten und Zahnausfall, Anfälligkeit gegen Infektionskrankheiten, Erschöpfung und Müdigkeit, Muskelschwund, Gelenkentzündungen, hohes Fieber und Durchfall waren die Folgen. Daraus resultierende Herzschwäche führte häufig zum Tod. Begierig aß man deshalb im Frühjahr das erste frische, vitaminreiche Grün, so auch das Scharbockskraut, das daher seinen Namen hat.

Erdmieten und Eiskeller
Obst und Gemüse versuchte man möglichst lange frisch zu halten. Wurzelgemüse lagerte man in Erdmieten ein. In den Behausungen der Begüterten, großen landwirtschaftlichen Gütern und Schlössern, errichtete man im Schatten von Bäumen Eishäuser mit großen Kellern in denen dann Eis gelagert wurde.

In benachbarten, kühlen Kellergewölben lagerten Nahrungsmittel und vor allem Bier. Brauereien verfügten über diese Einrichtungen und nutzten sie bevor Ende des 19. Jahrhunderts mit der Erfindung von Kältemaschinen die Eiskeller nach und nach aufgegeben wurden.

Flache Teiche, die sich in einigen Dörfern erhalten haben und als Maar bezeichnet wurden - alte Straßenbezeichnungen weisen oft heute noch darauf hin - resultieren aus der Tatsache, dass sie im Winter, wenn sie durchgefroren waren das in Blöcke gesägte Eis für die Kühlkeller lieferten und sommers als Löschwasserteiche genutzt wurden in einer Zeit, bevor es Wasserleitungen und Hydranten in allen Straßen gab.

Eine spezielle Form der Konservierung durch Kälte stellt die Gefriertrocknung dar. In den nordischen Ländern nutzte man die im Winter sehr kalte und trockene Luft zur Herstellung großer Mengen von Trockenfisch. Seefisch, vor allem Kabeljau, wurde ausgenommen, mit Stöckchen gespreizt und auf pyramidenförmige Trockengestelle gehängt. Nach dem Entzug des Wassers waren die Fischhälften knochentrocken, ebenso hart und haltbar. Als Fastenspeise und als Speise armer Leute wurde der Trockenfisch in großen Mengen von den Kaufleuten der Hanse unters Volk gebracht. Einem entsprechenden Handelsmonopol verdankte die Stadt Lübeck ihren Reichtum. Heute gilt Trockenfisch als Delikatesse.

Im Zuge von „Outdoor“-Aktivitäten kommt als Kraft- und Notnahrung auf Expeditionen und für Bergsteiger die haltbare Verpflegung der nordamerikanischen Indianer, die sie auf Wanderungen und langen Jagdausflügen immer mit sich führten, wieder in Gebrauch, der Pemmikan.

Hergestellt wurde er traditionell aus Bisonfleisch, das es nach den Gemeinschaftsjagden während der Sommerlager im Überfluss gab. In dünne Streifen geschnitten wurde es vollständig getrocknet, angeröstet und zerstoßen, danach mit einem Viertel Talg oder Knochenmarkfett zu einer Paste verknetet. Der Pemmikan hält sich für lange Zeit, kann sofort verzehrt oder mit Wasser zu einer nahrhaften Suppe aufgekocht werden. Die Stämme der Ostküste mischten als Variante noch getrocknete Beeren unter. Aus dem dunklen Fleisch wildlebender Bisons hergestellt, schmeckt Pemmikan ausgesprochen gut, weswegen sich die Indianer nie mit dem Gedanken anfreunden konnten, Bauern zu werden, Kühe zu halten und aus ihnen ihren Pemmikan zu bereiten.

Salz bindet Wasser. Auf diese Weise entsteht haltbares Salz- und Pökelfleisch. Bekannt und beliebt sind Salamiwürste und Schinken aller Art.

Süß oder sauer
Süßes und Saures, beides wirkt auf seine Weise konservierend. Zucker bindet extrem Wasser, dieses wird bei einem aufgezuckerten Außenmedium den Zellen entzogen, was Bakterien keine Überlebenschance lässt. Von daher halten sich Honig, Gelees und Marmeladen so lange in einem guten essbaren Zustand. Den gleichen Effekt bewirken Zitronen-, Wein-, Milch- und Essigsäure, denn niedrige pH-Werte vertragen nur bestimmte Bakterien. Bei milchsauer vergorenen Bohnen und Weißkohl bleiben die Vitamine erhalten. So sind vor allem im Winter, Sauerkraut und saure Bohnen gesund und schmecken gut.

Die Verbindung von Saurem und Süßem kannten schon die Römer und nannten es Oxymel, Honigessig. Sie nutzten es als schweiß- und harntreibendes Heilmittel.

Schließlich konserviert auch Alkohol ab einem Volumengehalt von 14%. Alkohol tötet Keime. Je mehr umso besser. Deshalb verdirbt Bier relativ schnell, Wein hält sich lange, Branntwein und harte Schnäpse fast ewig. Zur Konservierung werden empfindliche Organismen und Gewebe in Spiritus, fast reinem Alkohol, eingelegt. Im wahren Leben empfiehlt sich Alkohol aber nur in Maßen, denn absolute Konservierung durch Alkohol bedeutet den Tod.


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zuletzt bearbeitet am 8.I.2011