1.Juli 2010

NATURBEOBACHTER AUS DER REGION


Mauerblümchen: Felspflanzen in der Stadt

Joachim Schmitz

Felsen sind Extremstandorte, an denen Temperatur und Wasserhaushalt stark schwanken können. Deshalb können hier nur wenige Spezialisten wachsen. Von Natur aus gibt es die meisten Felsen und Felsspalten in den Gebirgen, also in Mitteleuropa in den Alpen. Deshalb findet man die meisten Felspflanzen in den Alpen. In den Mittelgebirgen und erst recht im Flachland werden passende Standorte immer seltener und artenärmer. Unbeabsichtigt hat allerdings der Mensch durch den Bau von Häusern und Mauern eine riesige Zahl künstlicher Felsbiotope geschaffen. Einige der ursprünglich alpinen Arten haben sich hier ansiedeln und so ihr Verbreitungsgebiet erheblich erweitern können. Ein Beispiel ist die Mauerraute (Asplenium ruta-muraria), ein Farn aus der Gattung der Streifenfarne. Sein natürlicher Standort sind Spalten von Kalkfelsen; sekundär wächst er auch in Mauerfugen. Da zum Mauern fast immer kalkhaltiger Mörtel verwendet wird, kann die Mauerraute praktisch in jeder unverputzten Mauer existieren. Dazu können weitere, seltenere Farne kommen, z.B. an feuchten Mauern im Monschauer Stadtgebiet der Zerbrechliche Blasenfarn (Cystopteris fragilis).

Mauerraute rings um einen Wasserspeier am Aachener Rathaus (..vor der jüngsten Sandstrahlreinigung...).


Als Blütenpflanze wesentlich auffälliger ist die Kaukasische Gänsekresse, die aus südosteuropäischen Hochgebirgen stammt, als Zierpflanze für Steingärten in Kultur genommen wurde und daraus verwildert ist, z.B. an der Burg Monschau, im Steinbruch Binsfeldhammer (Stolberg) oder in Aachen am Augustinerbach. Dabei muss man natürlich dazusagen, dass Mauerstandorte immer durch Mauerrenovierungen gefährdet sind, also jederzeit wieder verschwinden können. In Maastricht ist das Stängelumfassende Habichtskraut (Hieracium amplexicaule) eingebürgert. Dieser Korbblütler mit auffälligen gelben Blütenkörben stammt aus den Alpen und wurde früher gelegentlich als Zierpflanze gehalten.

Während Mauerraute & Co. Ausstrahlungen alpiner Felsspaltenvegetation darstellen, haben andere Arten ihren Schwerpunkt im mediterran-atlantischen Raum. Sie haben deshalb nicht nur wesentlich höhere Ansprüche an das Klima, sondern benötigen auch mehr Nährstoffe. Nur wenige Arten haben sich bis nach Deutschland ausgebreitet, wo sie ausschließlich als Kulturfolger an Mauern vorkommen. Deshalb wurde auch schon vermutet, dass die Arten von den Römern mit dem Weinbau nach Mitteleuropa eingeschleppt wurden.

Ziemlich häufig ist das Zymbelkraut (Cymbalaria muralis), dessen Blüten wie ein kleines, violettes Löwenmäulchen aussehen. Tatsächlich ist die Art mit dem Großen Löwenmäulchen (Antirrhinum majus) verwandt, das übrigens ebenfalls gelegentlich in Mauern verwildert. Anspruchsvoller und deshalb seltener ist das Mauer-Glaskraut (Parietaria judaica), das seinen Namen von den glänzenden Blättern hat. Die Blüten dieses kleinen Brennnesselgewächses sind unscheinbar. Die Vorkommen decken sich fast vollständig mit dem Gebiet des Weinbaus. Vielleicht ist es dem allgemeinen Klimawandel geschuldet, dass das Mauer-Glaskraut inzwischen auch in Aachen unweit vom Markt dauerhaft eingebürgert ist. Aus Schutz vor ordnungswütigen Hausmeistern möchte ich die Stelle nicht genauer angeben.

Wie bei der Gruppe mit alpinem Hintergrund gibt es auch in den wärmeliebenden Mauerfluren immer mehr verwilderte Zierpflanzen. Wohl schon aus mittelalterlichen Burggärten hat sich der Goldlack (Erysimum cheiri) selbständig gemacht (z.B. in Heimbach). Weiter sind hier Gelber Lerchensporn (Pseudofumaria lutea, früher: Corydalis luta) und Spornblume (Centhrantus ruber) zu nennen. Relativ neu im Zierpflanzensortiment ist das Mauergänseblümchen (Erigeron karvinskianus), das sich schon seit Jahren in einer Pflasterritze in der Aachener Jakobstraße hält. Auch hier möchte ich die genaue Stelle zum Schutz verschweigen.


 

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zuletzt bearbeitet am 18.X.2010