17.Dez.2009

NATURBEOBACHTER AUS DER REGION


O Tannenbaum, o Tannenbaum … Wird da wirklich die Tanne besungen?

Astrid von Reis

Bald ist Weihnachten – um bunt geschmückte Weihnachtsbäume werden Jung und Alt versammelt sein, singen, musizieren, Musik hören und vermutlich wird auch das bekannteste säkulare deutsche Weihnachtslied von 1824 ‚O Tannenbaum’ angestimmt.

Wird denn dann wirklich eine Tanne besungen? Oder handelt es sich gar um einen anderen Nadelbaum?

Das ist vielleicht nicht so wesentlich für Weihnachten werden Sie denken. Da stimme ich Ihnen zu. Geht doch der Weihnachtsbrauch auf verschiedene Kulturen zurück. Bedeutend war hier die Symbolik: Grün steht für die Treue und die Hoffnung auf Leben (nicht nur) im dunklen Winter. In immergrünen Pflanzen steckt Lebenskraft und Gesundheit und man holte sich dies um die Wintersonnenwende an bzw. in das Haus. Die Römer schmückten zum Geburtstag des „unbesiegten Sonnengottes“ (sol invictus) am 25. Dezember ihre Häuser mit Lorbeerzweigen. In nördlichen Breiten wurden die Zimmer mit grünen Zweigen von Nadelbäumen oder gleich mit ganzen Bäumen, die von der Decke herunter hingen, dekoriert. Dies sollte auch bei der Abwehr von bösen Geistern helfen und gab in der vegetationsarmen Zeit eine Ahnung und Hoffnung auf den nächsten Frühling.

Erst seit ca. 500 Jahren wurde in vornehmen, mitteleuropäischen Häusern ein geschmückter Nadelbaum aufgestellt. Erste Aufzeichnungen über den Christbaum als allgemein üblichen Brauch gibt es seit ca. 400 Jahren. Der städtische Bedarf konnte allerdings erst ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts gedeckt werden, nach dem vorwiegend für die Holzproduktion zunehmend Nadelwälder, vornehmlich mit Fichten, angelegt worden waren. Von da an verbreitete sich der Brauch von hier aus über die ganze Welt.

Heute werden allein für Deutschland rund 28 Millionen (2006) bunt geschmückte und beleuchtete Nadelbäume zu Weihnachten aufgestellt. Dies neben zunehmend künstlichen Varianten aus Plastik – zum Teil mit leise rieselnden Styroporkugeln als „Schneeersatz“! Apropos Beleuchtung: Hierfür benötigen wir allein in Deutschland eine Menge Strom, sie entspricht dem Jahresverbrauch von 160.000 Haushalten (560 Mio. kWh).

In Deutschland werden tatsächlich ca. 16 Millionen Tannen, meist die nicht nadelnden Edeltannen wie Nordmann- oder Kaukasustanne (Abies nordmanniana – natürliches Vorkommen (nV): Osteuropa), Kolorado oder Grau-Tanne (Abies concolor – nV: westliches Nordamerika), Nobilis- oder Edeltanne (Abies procera syn. Abies nobilis – nV: westliche USA), Blautanne (Abies procera ´Glauca´ - nV: westliche USA), Weißtanne (Abies alba – nV: Gebirge von Mittel- und Südeuropa) aufgestellt. Alle anderen Bäume sind Fichten wie die Rotfichte (Picea abies – nV: Nordeuropa und Gebirgslagen Mitteleuropas), Blaufichte (Picea pungens ´glauca´ - nV: in Felsengebirgen der USA), Serbische Fichte (Picea omorika – nV: Bosnien und Serbien, Zuckerhutfichte (Picea glauca ´conica´ - nV: östliches Nordamerika) oder weitere Nadelbäume wie Kiefern (Pinus spec.), Douglasien (Pseudotsuga menziesii), usw. Die Bäume stammen hauptsächlich aus Anbaugebieten (insgesamt 40.000 ha) in Dänemark, im Sauerland und Schleswig-Holstein.

Doch nun zurück zum Weihnachtslied von Ernst Anschütz: O Tannenbaum! Demnach kann das ja heute bei 43-Prozent der Bäume nicht stimmen. Klar, oh Fichtenbaum würde sich nicht so toll anhören und das Lied verfälschen.

Doch liegt es am Lied, das viele Menschen auch in der Natur nur von Tannenbaum und Tannenzapfen sprechen? Oder daran, das die Tanne von jeher als Sinnbild der Stärke, Kraft und Hoffnung galt und damit bevorzugt war?

Auf Führungen bleibe ich gerne vor dem hier am häufigsten wachsenden Nadelbaum, der Rotfichte stehen und frage um was für einen Baum es sich handelt. In tatsächlich 80% der Fälle wird ‚Tanne’ gesagt. Schaut man jedoch genauer hin, können die wesentlichen Unterschiede zwischen Tanne und Fichte festgestellt werden:

Die Blätter bzw. Nadeln der Tanne sind an der Spitze abgerundet und beim Berühren stechen sie einen damit nicht. Sie sitzen mit einem flachen runden Fuß auf dem Zweig und bleiben selbst wenn der Baum trocken gefallen ist noch sehr lange am Zweig hängen. Sind die Nadeln ab, fühlt sich der Zweig glatt an und kratzt nicht. Ab ca. 60 Jahren blühen Tannen, aus den befruchteten weiblichen Blütenständen entwickeln sich die Tannenzapfen, die wie Kerzen aufrecht stehen. Ab Oktober fallen die Deck- und Fruchtschuppen ab und die Samen werden vom Wind weggetragen. Unter Tannen kann daher normalerweise nie ein Tannenzapfen liegen. Den Namen der in unseren Mittelgebirgen südlich des Mains natürlich vorkommenden Weißtanne hat sie durch ihre helle Rinde bzw. Borke erhalten.

Fichten haben spitz zulaufende, stechende Nadeln die jeweils auf einer kleinen Erhebung sitzen. Sie fallen bei Trockenheit schnell ab, zurück bleiben diese Erhebungen am Zweig und können einen empfindlich kratzen. Bald nach der Befruchtung hängen die zapfenförmigen weiblichen Blütenstände nach unten. Die Zapfen fallen nach ca. 1 Jahr als ganzes herab – Fichtenzapfen! Die in unseren Mittelgebirgen und Alpen (bis 1800m) natürlich vorkommende und vielfach überall angepflanzte robuste Rotfichte, leider manchmal auch Rottanne genannt, hat ihren Namen von ihrer rötlich schimmernden Borke.

Viel Spaß beim nächsten Waldspaziergang und egal welchen Baum Sie als Weihnachtsbaum haben – viel Freude und fröhliche Weihnachten mit ‚O Tannenbaum’!


 

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zuletzt bearbeitet am 16.VIII.2010