Name im Capitulare Nr. Botanischer Name Familie
castanarios
79
Castanea sativa Mill. Fagaceae
 
 
 Edelkastanie
deutscher Name 
 Tamme kastanje
niederländischer Name 
 châtaignier
französischer Name 
 chestnut
englischer Name 
 
Beschreibung
 
Geschichte
 
 Verwendung
 

Botanische Beschreibung der Art

Die Edel- oder Esskastanie ist ein sommergrüner bis zu 35 m hoher Baum mit ausladender Krone. Sie zählt zu den Buchengewächsen (Fagaceae, früher: Cupuliferae = Frucht-Becherträger, wie auch Buche und Eiche; mit der Rosskastanie ist sie nicht näher verwandt), stammt aus dem Mittelmeerraum, blüht im Juni/Juli und fruchtet im Oktober. Sie verträgt Schatten, meidet Kalk, braucht nährstoffreiche, tiefgründige Böden, mildes Klima und wächst mit Traubeneichen in lichten Laubmischwäldern. Die Borke ist dunkel, graubraun und längsrissig, die jungen Zweige sind olivgrün bis graubraun und mit zahlreichen, kleinen Korkwarzen besetzt. Die wechselständigen Blätter (15-30 cm lang, 5-8 cm breit) haben lange Stiele und eine länglich-lanzettliche, zugespitzte Spreite, oberseits dunkelgrün glänzend, unterseits blaßgrün. Kräftige Adern laufen randlich in grobe, grannenspitzige Zähne aus. Die Blüten sind eingeschlechtlich und stehen köpfchenartig gehäuft an 15-20 cm langen Stielen, deren mehrere einen Blütenstand bilden. Die männlichen weißlich-gelben Blüten bestehen fast nur aus Staubblättern, die weiblichen sitzen, einzeln oder zu 2-3 vom Fruchtbecher umschlossen, an der Basis des Blütenstands. Die eigentliche Frucht, die auch als Marone bezeichnet wird, ist eine 2-3 cm lange Nuß mit brauner, glatter, lederartiger Schale. 1-3 dieser Nüsse werden von der 8-10 cm großen, runden, lindgrünen mit feinen, spitzen Stacheln besetzten, igelartigen Fruchthülle (Cupula) umschlossen.
 

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Geschichte

Die Edelkastanie, auch Kestenbaum oder Keste genannt, ist ein Baum des Südens. Man vermutet, dass bereits griechische Kolonisten Kastanien in der Gegend von Marseille anpflanzten. Aus Südfrankreich fand sie über das Rhonetal ins Rheintal, wo sie im Elsaß, Schwarzwald, Odenwald und im Pfälzer Wald nennenswerte Bestände bildet. Die Römer forcierten zwar den Kastanienanbau, bürgerten den Baum aber nördlich der Alpen nicht ein. Ausgedehnte natürliche Kastanienwälder gibt es im Appennin. Theophrast bezeugt ihr Vorkommen für Mazedonien, das Piliongebirge und Euböa. Für die alten Griechen war sie die "Eichel des Zeus". Ihr Name stammt von der Stadt Kastana im Pontus (Landschaft der kleinasiatischen Küste am Schwarzen Meer); Herodot berichtet, dass im Altertum verschiedene Orte den Namen Kastanea trugen. Die Kastanie fruchtet nur in wärmeren Gegenden, was der altpfälzische Spruch treffend ausdrückt: "Wenn´s Keschde gibt, gibt´s auch Woi."

Karl Kosthofer stellt 1828 in seinem Buch über den Wald einen Vergleich an zwischen dem Kastanienbaum und der Kartoffelstaude als Nahrungslieferanten, denn in wärmeren Gegenden war sie bis zum 17. Jahrhundert ein regelrechtes Volksnahrungsmittel. Die Samen enthalten 39% Wasser, 43% Stärke und 2,5% Fett. Im Mittelmeergebiet sind Esskastanien ein wichtiges Nahrungsmittel. Bei Missernten sicherten sie als Brot der Armen das Überleben der notleidenden Bevölkerung. In den schweizerischen und italienischen Südalpentälern rechnete man mit einem Baum pro Kopf. Diese lieferten 100-200 kg Maronen jährlich bei einem Bedarf von 150-200 kg pro Person. Eine Luganer Verfügung von 1778 untersagte bei einer Strafe von 100 Talern das Fällen von Kastanienbäumen. Abgaben wurden mit Kastanien bezahlt. So musste beispielsweise1693 Küßnacht wöchentlich 30 Sack Kastanien nach Schwyz liefern. Nach dem "jus plantandi" durften mittellose Familien um ihr Überleben zu sichern auf öffentlichem Grund soviele Kastanien pflanzen, wie sie brauchten. Das Nutzungsrecht ging vom Pflanzer auf die Erben über und erlosch erst mit Absterben des Baumes. Mit Intensivierung der Landwirtschaft machte dann im 18. Jahrhundert die produktivere Kartoffel das Rennen als Grundnahrungsmittel. Ausgedehnte Kastanienhaine, sog. Selven, sind bruchstückhaft in manchen Südalpentälern erhalten geblieben; einer der schönsten liegt im Bergell.

Als Dörrfrüchte (Räucherung und Trocknung nach 9-tägiger Wässerung) aufbereitet, kühl und trocken gelagert, halten sich Maronen 2-3 Jahre. Diese wurden gemahlen und zusammen mit Roggenmehl zum sog. Baumbrot verbacken. Auch diese Bedeutung als Brotfrucht hat die Kastanie eingebüßt, aber beliebt ist sie immer noch, wenn in der Vorweihnachtszeit Maronibrater die Nüsse auf Holzkohleöfen geröstet anbieten oder wenn sie als Füllung der Martinsgans oder als Beilage zu Wild den Feinschmeckern gereicht wird. Hier das Rezept für eine köstliche Kastaniensuppe:


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Heutige Bedeutung und Verwendung

Kastanien können südlich der Alpen bei einem Stammdurchmesser von einem Meter ein Alter von 500 Jahre, nördlich der Alpen meist nur 200 Jahre erreichen. Einige werden auf 1000 Jahre geschätzt. Die Stämme sind häufig entgegen dem Uhrzeigersinn drehwüchsig. Das Holz ist in Qualität und Widerstandsfähigkeit gegenüber Feuchtigkeit ähnlich dem der Eichen. Schon die Römer verwendeten es für Rebpfähle, als Fassdauben und im Schiffsbau. Auch Furniere lassen sich daraus schneiden. Die Kastanie ist wuchskräftiger als die Eiche und wurde wie diese vor allem in Weingegenden niederwaldartig bewirtschaftet. Nach einigen Jahren wurden die Stämme knapp über dem Boden abgeschnitten und "auf Stock gesetzt". Der im Boden verbliebene Wurzelstock trieb erneut kräftig aus, was eine Nachpflanzung ersparte. Bei einem Umtrieb von 8-15 Jahren ließen sich Rebstickel ernten. 25-30 Jahre wuchsen die Stockloden für Bauholz, Leitungsstangen und Fassdauben. Ausserdem lieferte Kastanienholz Tanninextrakt zur Gerberei von Leder, 7-fach ergiebiger als Eichenrinde.

In den Vierziger Jahren fielen dem Kastanienrindenkrebs, der durch den Schlauchpilz, Endothia parasitica, verursacht wird, ins Rindengewebe eindringt und mit seinen giftigen Ausscheidungen Zellen und schließlich den Baum zum Absterben bringt, im nördlichen Amerika über eine Million Hektar Kastanienwald zum Opfer. Die Kastanie musste von der Liste der amerikanischen Forstbäume gestrichen werden. Als die Epidemie kurz vor dem 2. Weltkrieg in Genua auftauchte, fürchtete man um die europäische Edelkastanie. Diese erwies sich jedoch als nicht so anfällig und machte Ausfälle zum Teil durch ihre enorme Ausschlagskraft wieder wett. In Amerika sind inzwischen resistentere Kastanien-Arten aus Japan und China eingebürgert.
 

 
 

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zuletzt geändert am: 4.8.2000